Plattform für verantwortungsvolle und mutige Zukunftslobbyisten

Seit jeher erzählen uns Märchen, wie die Welt einmal war, und dass der Held und die Prinzessin noch heute leben, wenn sie nicht gestorben sind. Warum tun wir das? Warum erzählen wir den Kindern Geschichten aus längst vergangenen Tagen? Wobei Letzteres gar nicht stimmt, denn sprechende Wölfe, Froschkönige, Erbsen sortierende Stieftöchter und sieben Zwerge hinter sieben Bergen hat es auch anno dazumal nicht gegeben. Dabei können Fantasiewelten dabei helfen, die Zukunft abzubilden und eine Zukunftsstory zu schreiben. Nicht jedoch, wenn sie derart grausam daherkommen, wie das in vielen Märchen der Fall ist. Wie also sollen Kinder, die allabendlich mit solchen Geschichten konfrontiert werden, zu Menschen heranwachsen, die die Zukunft gestalten wollen?
Natürlich könnte man nun argumentieren, dass es bisher ja funktioniert habe. Wobei man sich dann halt auch die Gegenfrage gefallen lassen muss: Und wohin hat uns das gebracht? Wir leben in einer Welt, in der es für viele darum geht, Besitz anzuhäufen und sich Sorgen darüber zu machen, all die vielen Dinge zu verlieren, von denen man nur einen Bruchteil tatsächlich braucht. Damit nicht genug machen wir uns fortwährend Gedanken über die Vergangenheit und können vielfach nicht akzeptieren, dass das Gestern schlicht und ergreifend vorbei ist. Wir können es nicht ändern, ärgern uns dessen ungeachtet maßlos über Schnee von gestern und sind gleichzeitig davon überzeugt, dass früher alles besser war. Irgendwie hat das schizophrene Züge und doch kann es einen ja gar nicht wundernehmen, wenn wir schon im Kindesalter auf „Es war einmal…“ getrimmt werden.

Erinnerungen an die Zukunft

Wobei es ohnehin müßig ist, sich Gedanken darüber zu machen. Vielmehr drehen wir uns dabei im Kreis, denn positive Zukunftsbilder können nicht gezeichnet werden, wenn wir in der Vergangenheit verhaftet bleiben – ganz egal, ob sie uns vor lauter Ärger weiße Haare beschert oder verherrlicht wird. Und so wird einmal mehr der Ruf nach neuen Narrativen laut. Für manche mag der Begriff abgelutscht sein, weil er in den letzten 20 bis 30 Jahren durchaus inflationär verwendet wurde. Andere wiederum verstehen die ganze Aufregung nicht, denn laut Duden handelt es sich schlichtweg um eine sinnstiftende Erzählung. Und man muss dem Narrativ auch nicht mehr Bedeutung beimessen, als nötig. Aber man kann – vorausgesetzt es hält, was es verspricht. Wenn es einer Geschichte nämlich gelingt, sinngebende Werte und positive Emotionen zu transportieren, kann sie wesentlich dazu beitragen, den Menschen Orientierung, Klarheit und Sicherheit zu bieten. Und genau das brauchen wir, wenn wir die Zukunft selbst in die Hand nehmen und optimistisch in die Welt von Morgen und Übermorgen schreiten möchten.
Wollen wir also die Zukunft gestalten, müssen wir anfangen, Geschichten über sie zu schreiben und zu erzählen. Und zwar in der Form, dass sie die Hörer und Leser nicht nur mitreißen und in ihren Bann ziehen, sondern dass sie selbst zu Protagonisten werden wollen und können. Wir brauchen mutige und motivierende Zukunftsstorys, die Lust auf mehr machen. Vor allem wenn die Zukunft nur mehr schwarz gemalt wird, wie das seit geraumer Zeit von den Entscheidungsträgern und Medien getan wird. Es wird Angst geschürt und Verzweiflung gesät, sodass die allgemeine Lethargie beständig zunimmt und zu einem gesellschaftlichen Stillstand geführt hat, der historisch betrachtet seinesgleichen suchen kann. Sir Anthony Hopkins hat einmal gesagt:

„We live in a world where the funeral is more important than the diseased, wedding is more important than love, external looks are more important than brains. We live in a culture of wrapping that despises the content.“

Von dieser Welt dürfen – nein, müssen wir uns wieder verabschieden. Wir müssen die Verpackung mit Inhalt füllen, Neugier und Experimentierfreude statt Passivität an den Tag legen und mit einem kreativen, intuitiven und neuen Mindset an die Zukunft herangehen. Wir müssen eine Zukunftsstory schreiben, die Erinnerungen an die Zukunft schafft. Das klingt auf den ersten Blick absurd, schließlich können wir uns nur an Dinge erinnern, die bereits passiert sind. Erinnerungen sind immer an Erfahrungen gekoppelt, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. So zumindest haben wir es gelernt – in der Schule und im wahren Leben. Gut und verständlich erzählte, inhaltlich emotionale und vor allem sinnstiftende Erzählungen über die Zukunft können sich allerdings auch in der Erinnerung einprägen. Dabei ist es einerlei, ob wir als Individuum in die Rolle des Hauptdarstellers unserer eigenen Zukunftsstory schlüpfen oder ob ein Unternehmen eine Art Simulation entwirft, wie der Betrieb in Zukunft ausschauen, mit welchen Produkten und Dienstleistungen er seine Kunden im wahrsten Sinne des Wortes beglücken und welche Vision(en) er verfolgen wird.

Schreib Deine Zukunftsstory (© Cody Hiscox, Unsplash)

Narrative Zukunftsstory

Je besser die Geschichte ist und auch vermittelt wird, umso eher kann das menschliche Gehirn diese Zukunftserinnerungen tatsächlich abspeichern. Und das ist ganz wesentlich, weil wir derart positive Erinnerungen brauchen, um eine zukunftsaffine und zukunftsoffene Einstellung, Denkweise, Haltung, Mentalität und Weltanschauung zu etablieren. Nur so kann sich ein Mindset entwickeln, das uns optimistisch in die Zukunft blicken und gehen lässt.
Eine wichtige Voraussetzung, um eine reale und somit möglichst realisierbare Zukunftsstory zu schreiben, ist ein gewisses Grundwissen über die Zukunft. Das heißt nicht, dass wir nun alle Experten im Bereich der Zukunft oder gar Zukunftsforscher werden müssen. Ebenso wenig müssen wir jeden Megatrend im kleinsten Detail kennen. Das ist zum einen gar nicht möglich und wäre zum anderen auch der falsche Ansatz. Denn, wenngleich das Aufzeigen von Megatrends wichtig ist, fühlt sich der Einzelne oftmals von ihnen überfordert. Kein Wunder, schließlich handelt es sich dabei um Umschwünge, die sich auf unterschiedlichsten Ebenen der Gesellschaft vollziehen. Das passiert nicht von heute auf morgen, sondern vielmehr langsam über einen längeren Zeitraum. In Zeiten wie diesen darf man sich zwar berechtigterweise fragen, was man unter langsam versteht. Doch Fakt ist: Mega ist für viele schlichtweg eine Spur zu groß, weil sie die Trends nicht auf das eigene Leben, das eigene Unternehmen herunterbrechen können. Das ist aber gar nicht nötig. Solange wir die großen Veränderungen im Blickfeld haben, uns mit den verschiedenen Möglichkeiten auseinandergesetzt und ihnen einen Raum gegeben haben, sind wir schon mal gut aufgestellt. So nämlich können wir uns auf die Reise machen, die eigenen Zukünfte in Geschichten abzubilden.

Erzähl‘ mir vom Morgen

Bei der Future Design Akademie vergleicht man die Zukunft mit einer Knetmasse, die es zu formen gilt. Und das passiert nicht (nur) mit den Händen, sondern im ersten Schritt mit den Gedanken. Freilich kann niemand die Zukunft vorhersagen, schließlich wurde die Glaskugel noch nicht erfunden – und hoffentlich wird das nie der Fall sein, denn wenn wir alles wüssten, könnten wir die Zukunft nicht mehr gestalten.
Auf Urdu, der Nationalsprache von Pakistan, gibt es den Begriff goya: Eine Geschichte, die so gut erzählt wurde, dass kein Zweifel mehr aufkommen kann, dass sie real ist bzw. sein könnte. Genau so müssen wir unsere Zukunftsstory schreiben, denn ein Märchen wollen wir niemandem aufbinden. Schon gar nicht wollen wir eine Zukunft, die wir uns nicht einmal in den schlimmsten Träumen ausgemalt hätten – wer will schon vom Wolf gefressen werden?! Das bedeutet nicht, dass wir nur von kunterbunten Blumenwiesen mit eierlegenden Wollmilchsäuen im Schlaraffenland erzählen. Eine gute Geschichte über die Zukunft muss Probleme benennen, Risiken aufzeigen und Herausforderungen im Blick haben, dann nämlich können sie auch gemeistert werden. Dann können wir am Ende als Helden reüssieren.
…und wenn wir heute damit anfangen, werden wir es morgen noch (er)leben.

 

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Weitere Beiträge

weiter neu denken

Zum Jahresabschluss habe ich mir in einem Feedbackgespräch mit unserer Geschäftsführung gewünscht, dass ich im kommenden Jahr wieder mehr neues lernen möchte. Meinen Horizont erweitern und neue Perspektiven gewinnen möchte. Wer die Zukunft gestalten will, der muss offen für Neues sein – Neues aufsaugen, aufnehmen, inhalieren, die Dinge neu formen. So in etwa stellte ich mir das für 2023 zumindest vor. Irgendwie lebendig, aktiv und vorwärts.
Doch während der Feiertage bin ich in den inneren Diskurs gegangen. Das Jahr 2022 war für mich – um es in einem Wort zu sagen – voll. Voll im Sinne des sprichwörtlichen Fasses, dass nicht nur droht überzulaufen, sondern dies auch tat. Und so war mir plötzlich klar, dass mein Wunsch für 2023 nicht darin besteht, dieses bereits volle Fass weiter aufzufüllen. Vielmehr wünsche ich mir für das anstehende Jahr ein halb volles Fass – wobei die Betonung auf voll liegt, denn halb leer ist keine Option für mich.

Braucht es wirklich mehr?

Ich bin davon überzeugt, dass es viel positiver Energie von uns allen bedarf, eine gute und glückliche Zukunft zu gestalten. Doch wie soll das gehen, wenn wir ständig kurz vor dem Überlaufen stehen? Brauchen wir tatsächlich immer noch mehr Neues? Müssen wir uns wirklich kontinuierlich neues Wissen aneignen? Ist es sinnvoll bzw. erstrebenswert, im Hamsterrad von mehr, mehr und nochmals mehr zu bleiben? 
Meiner Meinung nach nein. Nicht höher, weiter und schneller sollte die Prämisse sein, sondern partizipativer, sinnhafter und empathischer. Achtsamer im Umgang mit unseren Ressourcen – unseren eigenen, die unserer Mitmenschen und die der Erde. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Doch müssen wir Neues lernen, um diese Herausforderungen zu meistern und zu bestehen.

Verlernen, um zu lernen

Ich habe meine Zweifel und frage mich, ob wir nicht lieber verlernen sollten? Ein Verlernen von Glaubenssätzen, von Paradigmen, von „das haben wir schon immer so gemacht“. Können wir durch aktives Verlernen Raum für neue Perspektiven schaffen, Bilder einer Zukunft, die frei von den Grenzen der eigenen erlernten Kultur ist? Frei von den Grenzen im Denken der Möglichkeiten?
Je mehr ich darüber nachgedacht habe (und nach wie vor nachdenke), umso einfacher erscheint es mir, Neues zu lernen, als Bestehendes und Gewohntes zu verlernen. Und wer weiß: Vielleicht bietet gerade das Verlernen bzw. der Prozess des Verlernens ungeahnte Möglichkeiten für Veränderungen, Wandel und neue Erfahrungen?
Für mich ist Lernen Gegenwart. Verlernen ist Zukunft. Und lernen zu verlernen, um dabei zu lernen, ist Zukunftsgestaltung.

Über die Autorin…

Janina Clever leitet als Industrie Designerin bei Generationdesign in Wuppertal komplexe Design- und Strategieprojekte. Die studierte Arbeits- und Organisationspsychologin setzt auf nachhaltigen Mehrwert und Nutzen, der durch agile und interdisziplinäre Austauschformate und Arbeitsmethoden entsteht. Dabei sieht sie in der Fusion von digitalen und realen Formaten für die Zukunft noch unentdeckte Potenziale. Janina Clever ist außerdem Teil des Zukunftsrates von Zukunft Neu Denken.

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Müssen wir lernen zu verlernen?

Lebenslanges Lernen ist in aller Munde. Janina Clever aber fragt sich: Müssen wir tatsächlich immer mehr wissen? Oder sollten wir nicht lieber lernen zu verlernen?

2.562 Menschen starben 2021 auf Deutschlands Straßen, in Österreich waren es 359. In den meisten Fällen sind diese auf nicht angepasste Fahrgeschwindigkeit, Unachtsamkeit bzw. Ablenkung und Vorrangverletzung zurückzuführen. Mit anderen Worten: Verkehrsunfälle haben meist eines gemeinsam – nämlich menschliches Fehlverhalten. Und das lässt sich ändern. Schon durch das Einhalten von Tempolimits und sonstigen Vorschriften sowie durch kontrolliertes und achtsames Fahren könnte dazu beigetragen werden, dass sich die Zahl der Verletzten und Toten im Straßenverkehr deutlich reduziert. Und nicht zuletzt könnte jeder einzelne für die eigene Sicherheit sorgen. Denn Tatsache ist: Hinter jedem Steuer stecken Menschen und Geschichten.

Crash-Kurs

In der Verkehrspolitik spielt das Thema Verkehrssicherheit europaweit eine wichtige Rolle. So wurden beispielsweise Maßnahmen festgelegt, um bereits bei der Fahrzeugherstellung besonders gefährliche Stoffe zu vermeiden und die Wiederverwendung sowie Verwertung von Fahrzeugen mit Totalschaden und deren Bauteile zu intensivieren. Ein von der Versicherung festgestellter (wirtschaftlicher) Totalschaden bedeutet also nicht automatisch, dass das Fahrzeug Schrott ist. Schließlich besteht ein Auto aus rund 10.000 Einzelteilen, die von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich sind. Universal-Teile gibt es nicht, was ein Crash-Fahrzeug in gewisser Weise zum begehrten Ersatzteillager macht. Das am häufigsten ausgebaute Ersatzteil, bevor ein Auto verschrottet wird, ist übrigens der Katalysator, in dem sich unter anderem seltene Metalle befinden.

Eine Frage der Mobilität

Die Frage aber ist nicht nur, was passiert mit geschredderten Fahrzeugteilen – die werden sortiert und weiterverarbeitet. Sondern auch: Was passiert mit dem Menschen, der hinter dem Steuer gesessen hat – egal, ob sein Auto aufgrund eines Unfalls auf dem Schrottplatz gelandet ist oder schlichtweg, weil es nicht mehr zugelassen werden konnte? Steht das neue, noch größere, noch schnellere, noch bessere Fahrzeug bereits in der Garage? Oder setzt man auf einen kleineren Straßenflitzer, auf E-, Hybrid- oder eine andere Alternative? Oder kommt man sogar ohne Auto durchs Leben? Steigt man möglicherweise auf ein motorisiertes Zweirad um oder tritt man gar in die Pedale? Und wie schaut es mit den Öffis aus?
Um all die Fragen auf einen Punkt zu bringen: Was braucht es, damit Mobilität in Zukunft anders gedacht wird bzw. werden kann?

 

Über den Fotografen

Die Bilder wurden von Bence Szalai aufgenommen. Der Fotograf und Filmemacher möchte den Blick des Betrachters auf die Details lenken. Er sieht seine Arbeit als das Radio, den Schallplattenspieler oder den Lautsprecher, über den die Musik abgespielt bzw. gehört wird und dessen Qualität das Hörerlebnis maßgeblich beeinflusst.
www.rnbpictures.com

 

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Disconnect,Fotostrecke

Nur ein Kratzer: Mobilität nach dem Schrottplatz

Hinter jedem Steuer steckt eine Geschichte. Warum ein Crash-Car mehr als nur Schrott ist und wieso wir Mobilität neu denken sollten. Eine Fotostrecke von Bence Szalai.

Im Kreuzworträtsel hat das Vertrauen in die Zukunft acht, manchmal zehn Buchstaben. Im echten Leben benötigen wir dafür wesentlich mehr Buchstaben. Und immer öfter fehlen uns die Worte, wenn es darum geht, vertrauensvoll in die Welt von morgen zu schauen. Das zeigte etwa eine im Frühjahr 2022 vom SORA-Institut durchgeführte Umfrage unter rund 24.000 jungen Österreichern zwischen 16 und 25 Jahren. Diese nämlich ergab, dass es nicht gerade zum Besten steht mit dem Vertrauen in die Zukunft. Vor allem der Krieg in der Ukraine (84 %) bereitet der Generation Z Sorgen, aber auch der Klimawandel (67 %), die immer breiter werdende Schere zwischen Arm und Reich (59 %) sowie Pandemie und Wirtschaftskrise (jeweils 55 %). Dass dabei nur wenig Vertrauen in die Zukunft aufkommt, habe laut Umfrage insbesondere damit zu tun, dass wir bei den großen Zukunftsthemen – von der zunehmenden ökonomischen Ungleichheit über den Klimawandel bis hin zur Pflegeproblematik, Energiewende und Bildung – schlecht unterwegs sind. Wobei mit „wir“ eigentlich die Politik gemeint ist, denn diese handle schon seit Jahren zu kurzfristig und zu populistisch, sind 88 % der Befragten überzeugt.
Dass auch andere Generationen – ob Y, X, Babyboomer oder wie sie sonst noch so heißen – eher misstrauisch in Richtung Zukunft schielen, bedarf wohl keiner weiteren Umfragen. Doch wäre es zu kurz gedacht, den politischen Entscheidungsträgern den schwarzen Peter zuzuschieben, sich zurückzulehnen und abwartend Däumchen zu drehen. Zum einen, weil es nicht so ausschaut, als würde sich die Politik alsbald und voller Tatendrang um die anstehenden Herausforderungen bemühen. Und zum anderen ist es nicht nur Aufgabe der Politik, sich um Lösungen für die aktuellen Probleme zu bemühen. Dessen sind sich die Jungen übrigens durchaus bewusst: So sind 71 % der Meinung, dass wir alle unseren Lebensstil verändern müssen, um beispielsweise den Klimawandel zu bekämpfen.

Es liegt an uns selbst

Dass wir das Ruder selbst herumreißen, Verantwortung übernehmen und mutig (voran)gehen können, stimmt positiv – zumindest mich. Eine entscheidende Rolle spielt dabei allerdings das Vertrauen. Dieses sorgt nämlich unter anderem dafür, dass wir uns wohlfühlen und zuversichtlich sind. Was aber, wenn man sich eben hinsichtlich der Zukunft mit dem Vertrauen schwertut? Wie soll man Zuversicht schöpfen, wenn einen nur mehr Sorgen und Ängste plagen? Wie soll man sich wohlfühlen, wenn sich alles nur noch schlecht anfühlt?
Was das Wohlbefinden angeht, sollten wir wissen, dass dieses weniger mit dem zusammenhängt, was kommt, als vielmehr mit dem, was ist und was war – also mit den aktuellen Erlebnissen sowie mit unseren Erinnerungen. In seinem Weltbestseller „Thinking, Fast and Slow“ beschreibt der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann unter anderem das Konzept der zwei Selbste: So haben wir ein erlebendes Selbst, das sich andauernd mit der Frage beschäftigt: „Fühle ich mich gerade wohl oder tut es weh?“ und zugleich ein erinnerndes Selbst, dass die Frage beantwortet: „Wie war es im Großen und Ganzen?“ Kahnemann ist mittlerweile davon überzeugt, dass das eigene Wohlbefinden nicht nur damit zu tun hat, wie es uns mit dem, was wir gerade erleben, geht, sondern dass wir immer auch Urteile und Bewertungen über das bereits Erlebte einfließen lassen. Oder um es mit seinen Worten zu sagen:

„Wir müssen uns mit der Komplexität einer hybriden Sichtweise abfinden, bei der das Wohlbefinden beider Selbste berücksichtigt wird.“

Gehe ich nun davon aus, dass mein Wohlbefinden in der Zukunft sowohl davon abhängt, was ich in Zukunft erleben werde, als auch davon, was ich in der Vergangenheit erlebt habe, dann sollten wir doch alles daransetzen, heute schon positive Erinnerungen zu schaffen, sodass wir morgen eine Welt haben, in der wir uns wohlfühlen können.

Vertrauen lernen

Soweit so gut. Um das Vertrauen in die Zukunft steht es trotzdem noch nicht besser bestellt? Das mag daran liegen, dass wir in die Zukunft gar nicht vertrauen können. Nicht, weil sie sich chaotisch, alles andere als planbar und sicher präsentiert, uns im Gegenteil Rätsel aufgibt und die eine oder andere Sorgenfalte beschert. Das ist eine Tatsache, die wir akzeptieren und mit der wir leben müssen. Der Grund, warum wir der Zukunft nicht vertrauen können, ist, dass Vertrauen immer mit Menschen zu tun hat – mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen, vom engsten Familienkreis über entfernt Bekannte bis hin zur Gesellschaft generell. Sowohl das Selbst- als auch das Vertrauen gegenüber anderen ist eng mit Erfahrungswerten verbunden. So haben wir beispielsweise schon früh gelernt, ob wir auf uns selbst und unseren Fähigkeiten und/oder auf andere Menschen bauen können. Vertrauen ist folglich eine erlernte Entscheidung. Und das ist gut, denn somit liegt es erstens an uns, ob wir vertrauen oder nicht. Und zweitens können wir es wieder lernen – sofern uns das Vertrauen abhandengekommen ist.

Hoffnungsvoll ins Morgen

Wenn wir vom Vertrauen in die Zukunft sprechen, geht es also darum, den eigenen Fähigkeiten als auch anderen Menschen zu vertrauen und darauf, dass man gemeinsam den Weg meistern wird. Es gilt, (wieder) Zuversicht zu erlangen und sich beim Gedanken an die Welt von morgen wohl zu fühlen. Das lässt die Hoffnung auf eine gute Zukunft immer noch nicht wachsen, schließlich – so das allgemeine „Totschlagargument“ – weiß niemand, was kommen wird. Befasst man sich aber genauer mit dem Thema Vertrauen, schaut die Sache anders aus.
Der deutsche Philosoph und Soziologe Georg Simmel (1858-1918) beschrieb Vertrauen als einen Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen, eine „Hypothese künftigen Verhaltens“, auf die wir konkretes Handeln gründen. Wer vertraut, geht also bewusst und im guten Glauben davon aus, dass man selbst und/oder die Mitmenschen sich so oder so verhalten und dass sich in der Folge eine Sache so entwickelt, wie es versprochen wurde oder wie man es erhofft hat. Ob diese dann tatsächlich so eintritt, ist eine andere Sache und für den ersten vertrauensvollen Schritt gar nicht entscheidend. Viel wichtiger ist, dass wir Vertrauen als ein reißfestes Band begreifen, an dem wir uns auf dem Weg ins Neue, Unbekannte – oder eben in die Zukunft – anhalten und orientieren können, sogar dann, wenn Umstände (noch) unsicher erscheinen. Genauso aber sollten wir uns auch darüber im Klaren sein, dass sich Vertrauen ungeheuer schnell und durch kleinste Dinge zerstören lässt.

Was und wen bringst du mit?

Inwiefern wir anderen Menschen vertrauen (können), ist freilich so eine Sache. Doch uns selbst können oder vielmehr müssen wir auf jeden Fall vertrauen. Mit Blick in die Zukunft bedeutet das, sich seiner Fähigkeiten und Begabungen, seiner Charaktereigenschaften, seiner Werte und Haltungen bewusst zu werden. Diese sind sozusagen die Werkzeuge, die uns helfen, Situationen im Jetzt, aber auch im Morgen zu meistern und anstehende Aufgaben zu lösen.
Also: Über welche Fähigkeiten und Kompetenzen verfügst du? Was kannst du gut? Was kannst du, was viele andere nicht (so gut) können? Welche Kenntnisse und Leidenschaften treiben dich an? Worüber möchtest du immer mehr wissen? Was weckt deine Neugier, deinen Wissensdrang? Womit beschäftigst du dich intensiv – mehr als die meisten Menschen? Welche Werte vertrittst du? Welche Werte sind dir wichtig? Was gibt deinem Leben Sinn und Richtung? Welche Stärke macht dich aus, für welche Tugend stehst du, welche besondere Eigenschaft verkörperst du?
Neben all dem, was wir selbst mitbringen, kommt es auf Beziehungen, auf Gruppen und Gemeinschaften an, denen wir angehören. Womit wir wieder bei den Mitmenschen wären. Denn Tatsache ist: Gemeinsam können wir besser für unsere Interessen eintreten, uns gegenseitig motivieren und uns durch gegenseitiges Vertrauen stärken. Spätestens dann kennen wir des (Kreuzwort-)Rätsels Lösung und wissen, dass „Vertrauen in die Zukunft“ Hoffnung oder Zuversicht oder noch besser beides zusammen bedeutet.

 

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Christiane Mähr,Featured,Vertrauen

Vertrauen wir uns mal selbst – dann der Zukunft

Warum wir gar nicht in die Zukunft vertrauen können, was das mit Ängsten und Sorgen, Erinnerungen und Erlebnissen zu tun hat und warum wir es selbst in der Hand haben, mutig in die Zukunft zu gehen und dabei andere an der Hand nehmen sollten.