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Zukunftsstory

Im Kreuzworträtsel hat das Vertrauen in die Zukunft acht, manchmal zehn Buchstaben. Im echten Leben benötigen wir dafür wesentlich mehr Buchstaben. Und immer öfter fehlen uns die Worte, wenn es darum geht, vertrauensvoll in die Welt von morgen zu schauen. Das zeigte etwa eine im Frühjahr 2022 vom SORA-Institut durchgeführte Umfrage unter rund 24.000 jungen Österreichern zwischen 16 und 25 Jahren. Diese nämlich ergab, dass es nicht gerade zum Besten steht mit dem Vertrauen in die Zukunft. Vor allem der Krieg in der Ukraine (84 %) bereitet der Generation Z Sorgen, aber auch der Klimawandel (67 %), die immer breiter werdende Schere zwischen Arm und Reich (59 %) sowie Pandemie und Wirtschaftskrise (jeweils 55 %). Dass dabei nur wenig Vertrauen in die Zukunft aufkommt, habe laut Umfrage insbesondere damit zu tun, dass wir bei den großen Zukunftsthemen – von der zunehmenden ökonomischen Ungleichheit über den Klimawandel bis hin zur Pflegeproblematik, Energiewende und Bildung – schlecht unterwegs sind. Wobei mit „wir“ eigentlich die Politik gemeint ist, denn diese handle schon seit Jahren zu kurzfristig und zu populistisch, sind 88 % der Befragten überzeugt.
Dass auch andere Generationen – ob Y, X, Babyboomer oder wie sie sonst noch so heißen – eher misstrauisch in Richtung Zukunft schielen, bedarf wohl keiner weiteren Umfragen. Doch wäre es zu kurz gedacht, den politischen Entscheidungsträgern den schwarzen Peter zuzuschieben, sich zurückzulehnen und abwartend Däumchen zu drehen. Zum einen, weil es nicht so ausschaut, als würde sich die Politik alsbald und voller Tatendrang um die anstehenden Herausforderungen bemühen. Und zum anderen ist es nicht nur Aufgabe der Politik, sich um Lösungen für die aktuellen Probleme zu bemühen. Dessen sind sich die Jungen übrigens durchaus bewusst: So sind 71 % der Meinung, dass wir alle unseren Lebensstil verändern müssen, um beispielsweise den Klimawandel zu bekämpfen.

Es liegt an uns selbst

Dass wir das Ruder selbst herumreißen, Verantwortung übernehmen und mutig (voran)gehen können, stimmt positiv – zumindest mich. Eine entscheidende Rolle spielt dabei allerdings das Vertrauen. Dieses sorgt nämlich unter anderem dafür, dass wir uns wohlfühlen und zuversichtlich sind. Was aber, wenn man sich eben hinsichtlich der Zukunft mit dem Vertrauen schwertut? Wie soll man Zuversicht schöpfen, wenn einen nur mehr Sorgen und Ängste plagen? Wie soll man sich wohlfühlen, wenn sich alles nur noch schlecht anfühlt?
Was das Wohlbefinden angeht, sollten wir wissen, dass dieses weniger mit dem zusammenhängt, was kommt, als vielmehr mit dem, was ist und was war – also mit den aktuellen Erlebnissen sowie mit unseren Erinnerungen. In seinem Weltbestseller „Thinking, Fast and Slow“ beschreibt der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann unter anderem das Konzept der zwei Selbste: So haben wir ein erlebendes Selbst, das sich andauernd mit der Frage beschäftigt: „Fühle ich mich gerade wohl oder tut es weh?“ und zugleich ein erinnerndes Selbst, dass die Frage beantwortet: „Wie war es im Großen und Ganzen?“ Kahnemann ist mittlerweile davon überzeugt, dass das eigene Wohlbefinden nicht nur damit zu tun hat, wie es uns mit dem, was wir gerade erleben, geht, sondern dass wir immer auch Urteile und Bewertungen über das bereits Erlebte einfließen lassen. Oder um es mit seinen Worten zu sagen:

„Wir müssen uns mit der Komplexität einer hybriden Sichtweise abfinden, bei der das Wohlbefinden beider Selbste berücksichtigt wird.“

Gehe ich nun davon aus, dass mein Wohlbefinden in der Zukunft sowohl davon abhängt, was ich in Zukunft erleben werde, als auch davon, was ich in der Vergangenheit erlebt habe, dann sollten wir doch alles daransetzen, heute schon positive Erinnerungen zu schaffen, sodass wir morgen eine Welt haben, in der wir uns wohlfühlen können.

Vertrauen lernen

Soweit so gut. Um das Vertrauen in die Zukunft steht es trotzdem noch nicht besser bestellt? Das mag daran liegen, dass wir in die Zukunft gar nicht vertrauen können. Nicht, weil sie sich chaotisch, alles andere als planbar und sicher präsentiert, uns im Gegenteil Rätsel aufgibt und die eine oder andere Sorgenfalte beschert. Das ist eine Tatsache, die wir akzeptieren und mit der wir leben müssen. Der Grund, warum wir der Zukunft nicht vertrauen können, ist, dass Vertrauen immer mit Menschen zu tun hat – mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen, vom engsten Familienkreis über entfernt Bekannte bis hin zur Gesellschaft generell. Sowohl das Selbst- als auch das Vertrauen gegenüber anderen ist eng mit Erfahrungswerten verbunden. So haben wir beispielsweise schon früh gelernt, ob wir auf uns selbst und unseren Fähigkeiten und/oder auf andere Menschen bauen können. Vertrauen ist folglich eine erlernte Entscheidung. Und das ist gut, denn somit liegt es erstens an uns, ob wir vertrauen oder nicht. Und zweitens können wir es wieder lernen – sofern uns das Vertrauen abhandengekommen ist.

Hoffnungsvoll ins Morgen

Wenn wir vom Vertrauen in die Zukunft sprechen, geht es also darum, den eigenen Fähigkeiten als auch anderen Menschen zu vertrauen und darauf, dass man gemeinsam den Weg meistern wird. Es gilt, (wieder) Zuversicht zu erlangen und sich beim Gedanken an die Welt von morgen wohl zu fühlen. Das lässt die Hoffnung auf eine gute Zukunft immer noch nicht wachsen, schließlich – so das allgemeine „Totschlagargument“ – weiß niemand, was kommen wird. Befasst man sich aber genauer mit dem Thema Vertrauen, schaut die Sache anders aus.
Der deutsche Philosoph und Soziologe Georg Simmel (1858-1918) beschrieb Vertrauen als einen Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen, eine „Hypothese künftigen Verhaltens“, auf die wir konkretes Handeln gründen. Wer vertraut, geht also bewusst und im guten Glauben davon aus, dass man selbst und/oder die Mitmenschen sich so oder so verhalten und dass sich in der Folge eine Sache so entwickelt, wie es versprochen wurde oder wie man es erhofft hat. Ob diese dann tatsächlich so eintritt, ist eine andere Sache und für den ersten vertrauensvollen Schritt gar nicht entscheidend. Viel wichtiger ist, dass wir Vertrauen als ein reißfestes Band begreifen, an dem wir uns auf dem Weg ins Neue, Unbekannte – oder eben in die Zukunft – anhalten und orientieren können, sogar dann, wenn Umstände (noch) unsicher erscheinen. Genauso aber sollten wir uns auch darüber im Klaren sein, dass sich Vertrauen ungeheuer schnell und durch kleinste Dinge zerstören lässt.

Was und wen bringst du mit?

Inwiefern wir anderen Menschen vertrauen (können), ist freilich so eine Sache. Doch uns selbst können oder vielmehr müssen wir auf jeden Fall vertrauen. Mit Blick in die Zukunft bedeutet das, sich seiner Fähigkeiten und Begabungen, seiner Charaktereigenschaften, seiner Werte und Haltungen bewusst zu werden. Diese sind sozusagen die Werkzeuge, die uns helfen, Situationen im Jetzt, aber auch im Morgen zu meistern und anstehende Aufgaben zu lösen.
Also: Über welche Fähigkeiten und Kompetenzen verfügst du? Was kannst du gut? Was kannst du, was viele andere nicht (so gut) können? Welche Kenntnisse und Leidenschaften treiben dich an? Worüber möchtest du immer mehr wissen? Was weckt deine Neugier, deinen Wissensdrang? Womit beschäftigst du dich intensiv – mehr als die meisten Menschen? Welche Werte vertrittst du? Welche Werte sind dir wichtig? Was gibt deinem Leben Sinn und Richtung? Welche Stärke macht dich aus, für welche Tugend stehst du, welche besondere Eigenschaft verkörperst du?
Neben all dem, was wir selbst mitbringen, kommt es auf Beziehungen, auf Gruppen und Gemeinschaften an, denen wir angehören. Womit wir wieder bei den Mitmenschen wären. Denn Tatsache ist: Gemeinsam können wir besser für unsere Interessen eintreten, uns gegenseitig motivieren und uns durch gegenseitiges Vertrauen stärken. Spätestens dann kennen wir des (Kreuzwort-)Rätsels Lösung und wissen, dass „Vertrauen in die Zukunft“ Hoffnung oder Zuversicht oder noch besser beides zusammen bedeutet.

 

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Christiane Mähr,Featured,Vertrauen

Vertrauen wir uns mal selbst – dann der Zukunft

Warum wir gar nicht in die Zukunft vertrauen können, was das mit Ängsten und Sorgen, Erinnerungen und Erlebnissen zu tun hat und warum wir es selbst in der Hand haben, mutig in die Zukunft zu gehen und dabei andere an der Hand nehmen sollten.

Richard, du beschäftigst dich mit Zukunftsfragen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Da frag ich gleich mal: Was bedeutet Zukunft neu denken für dich?
Für mich persönlich bedeutet es, immer die Augen offen zu halten: Was tut sich in meinem Umfeld, aber auch weit über meine eigene Lebenswelt hinaus, in anderen Ländern und Kulturen? Was tut sich bei den nächsten Generationen? Und was könnte das, was ich dort beobachte für mich und meine Zukunft bedeuten? Ich vergleiche das gern mit einem Schwamm, der neue Strömungen aufsaugt.
Im Tourismus ist bzw. sollte das ähnlich sein. Als Gastgeber gilt es, sich den Lebenswelten der Gäste zu öffnen. Wobei es nicht nur um die Stammgäste geht, sondern um jene Gäste, die noch nicht da sind. Warum sind sie nicht da? Welche Sehnsüchte haben sie? Und wie kann ich diese bedienen?

Doch wer sind die Gäste, die noch nicht da sind? Wie finde ich sie?
Dafür gibt es unterschiedliche Wege. Der in meinen Augen nachhaltigste Weg ist jener über die Werteebene. Das heißt: Ein Betrieb oder eine Region überlegt sich, welche Werte sie haben. Dann nämlich kann man jene Gruppen von Menschen aufspüren, die in einer ähnlichen Wertewelt leben und deren Sehnsüchte im Hinblick auf den Urlaub erfüllt werden können.

Und wie erfahren sie davon? Klassische Marketingschienen scheinen nicht mehr zu funktionieren – zumal die Gäste ja oft „überall“ zuhause sind.
Stimmt. Aber nicht nur aus diesem Grund funktionieren klassische Strategien nicht mehr. Konsumenten sind mittlerweile durch alle möglichen Medieneinflüsse extrem abgelenkt und gleichzeitig verunsichert. Täglich prasseln 10.000 und mehr Werbebotschaften auf uns ein. Dabei schenken rund 85 Prozent der Konsumenten all den Marketingversprechungen keinen Glauben mehr. Die Aufnahmekapazitäten der Kunden stoßen an die Grenzen: 98 Prozent der Informationen und Werbebotschaften verpuffen völlig. Dies trifft insbesondere für den Tourismus zu, wo die emotionalsten Kaufentscheidungen getroffen werden. Kein Wunder: Schließlich weiß man als Gast nie, ob das Produkt tatsächlich hält, was die Werbung verspricht. Daher werden Empfehlungen immer wichtiger.

Der Unternehmer muss künftig also kein Geld in Werbung stecken, sondern sich nur mehr um „König Gast“ kümmern, damit er anderen davon erzählt?
Nun, man braucht schon ein Grundrauschen an Kommunikation und einen sauberen Auftritt – online und offline. Ich würde den Gast auch nicht als König bezeichnen, weil der Unternehmer dabei in eine dienende Rolle schlüpft, obwohl er dem Gast eigentlich auf Augenhöhe begegnen sollte. Es geht viel eher um die Frage: Was kann ich als Gastgeber tun, damit der Gast eine gelungene Zeit hat? Denn Fakt ist: Der Gast ist der Botschafter und insofern wesentlich für die Markenkommunikation verantwortlich. Das trifft übrigens auf die Mitarbeiter genauso zu. Die Menschen vertrauen jenen, die schon dort waren – ob als Gast oder eben als Mitarbeiter.

Und wie findet man heraus, welche Sehnsüchte gestillt werden wollen?
Indem man selbst in die Herkunftsländer und -orte der Gäste reist, sich umsieht, wie deren Alltag ausschaut. Auf den alltäglichen Fußspuren des Gastes entdeckt man, was diese im Urlaub brauchen. Manches davon gehört komplett auf den Kopf gestellt. Beim kulinarischen Angebot sollte man hingegen durchaus mit der Zeit gehen und Food-Trends regional spezifisch interpretieren. Im Übrigen werden die Gäste in Zukunft vorwiegend aus dem urbanen Raum kommen, wo eine gewisse Individualität verloren gegangen ist. Auch diese kann man im Urlaub zurückgeben. Wobei an der Stelle betont gehört: Den einen Gast gibt es nicht. Selbst eine Familie oder ein Paar besteht immer aus unterschiedlichen Personen, die allesamt unterschiedliche Interessen haben. Zu glauben, dass man eine Zielgruppe mit einem Produkt und einer Botschaft bedienen kann, wird nicht funktionieren. Die Individualisierung der Gesellschaft ist ein großes Thema. Wenngleich das bedeutet, dass es keine Standardlösungen gibt, ist es meiner Meinung nach eine Riesenchance – gerade für kleine Betriebe.

Ernst Ferstl hat einmal gesagt: „Jede neue Herausforderung ist ein Tor zu neuen Erfahrungen.“ Was also sind weitere Herausforderungen, die Touristiker als Chance sehen sollten?
Eine der größten Herausforderungen ist schon jetzt, dass sich die Gäste im Vorfeld sehr gut über den Gastgeber, den Ort, die Region informieren. Vor Ort braucht er daher keine faktischen Informationen, die er sowieso jederzeit googeln kann oder bereits recherchiert hat. Um Gäste richtig abzuholen, sollte man auf Themen, Betriebe, Veranstaltungen usw. aufmerksam machen, die etwas Besonderes darstellen. Das kann eine kleine Alpsennerei, eine besondere Wanderroute oder ein spezieller Gastrotipp sein – um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wer nämlich versteht, dem Gast emphatisch und hoch emotional zu begegnen, ihn mit jenen Informationen versorgt, die er tatsächlich braucht, und ein Produkt anbietet, das ihn vom Alltag abschalten lässt, hat ihn für sich gewonnen. Die Qualität des Gastgebens rückt in den Vordergrund und hier haben kleinere, familiengeführte Betriebe sicherlich einen Vorteil gegenüber großen Ketten.

Ein gutes Netzwerk aus kleineren, regionalen Betrieben ist wahrscheinlich ebenso sinnvoll.
Unbedingt. Wichtig ist jedoch, dem Gast die Wahlfreiheit zu lassen. Nicht dass er das Gefühl hat, eine To-do-Liste abarbeiten zu müssen.

Vertrauen ist für dich die wichtigste Währung. Gerade in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft ist dieses in den letzten 2,5 Jahren allerdings eher abhanden gekommen. Was braucht es, damit sowohl Betriebe als auch Konsumenten dieses wiedergewinnen?
In erster Linie gilt es, dass die Unternehmer in das eigene Produkt vertrauen. Dafür muss es gut sein und das ist der Fall, wenn der Gast bereichert nach Hause fährt und seinen Freunden und Bekannten davon erzählt. Das aber braucht Zeit – so wie Vertrauen immer auch erst wachsen muss. Das funktioniert im Prinzip wie auf einem traditionellen Bauernmarkt – man muss in Vorleistung gehen, ausgezeichnete und authentische Produkte anbieten und dann darauf vertrauen, dass diese weitererzählt werden.

Wenn ich so darüber nachdenke, ist die Tourismusbranche eine Zukunftsbranche par excellence. Taucht der Gast im Urlaub in eine neue Welt ein, wird er zum, wie Du es nennst, alles aufsaugenden Schwamm. Zurück im Alltag kann er davon erzählen und trägt insofern auch dazu bei, dass andere Menschen sich ebenfalls neuen Dingen gegenüber öffnen und sich somit mit der Zukunft auseinandersetzen – unter anderem in jenem Betrieb, dessen Botschaft der Gast nach außen getragen hat.
Richard, ich danke dir für diesen interessanten Blick in die Welt des (Zukunfts-)Tourismus.

Richard Bauer (© Weinwurm Fotografie)

Zur Person: Mag. Richard Bauer

… ist seit über 25 Jahren im Tourismus tätig, setzt sich im vertrauensvollen Austausch zusammen mit seinen Kunden mit Zukunftsfragen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft auseinander und berät sie hinsichtlich strategischer Ausrichtung, Marketingstrategien und wirtschaftlicher Perspektiven. Er hält außerdem Vorträge, ist Lektor an Hochschulen, Buchautor und Gerichtssachverständiger für Hotellerie, Fremdenverkehrseinrichtungen und Tourismusorganisationen.
www.richardbauer.at

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Im Gespräch mit...,Vertrauen

Sehnsucht Urlaub – oder: Der Gast des Vertrauens

Richard Bauer beschäftigt sich täglich mit Zukunftsfragen im Tourismus. Im Gespräch erklärt der Tourismusberater, warum es um jene Gäste geht, die noch nicht da sind, wieso der Gast nicht König ist, wie man ihn zum Markenbotschafter macht und was das alles mit Vertrauen zu tun hat.

Nicht einmal die Hälfte der Beschäftigten in der DACH-Region sieht einen Sinn im Job. 45 Prozent bezeichnen ihren Arbeitsplatz sogar als psychisch und emotional ungesund. Dies nur zwei Ergebnisse der jüngsten „Employee Engagement“-Studie von Great Place to Work, bei der 14.000 Arbeitnehmer aus 37 Ländern weltweit befragt wurden. Bedenklich ist übrigens auch, dass derartige Zahlen nur mehr wenige überraschen. Nicht erst seit Corona stellen sich immer mehr Menschen die Sinnfrage, wie Monika Kraus-Wildegger weiß: „Es reicht nicht mehr aus, den Menschen Geld anzubieten, um die Herausforderungen des Jobs zu bewältigen. War dies vor rund zehn Jahren nur latent zu spüren, ist es heute wohl jedem bewusst.“ Die Gründerin und Geschäftsführerin von GOODplace ist davon überzeugt, dass die Zukunft der Arbeitswelt in einer menschenzentrierten Unternehmenskultur mit Herz und Hirn besteht. Oder wie die studierte Volkswirtin aus Hamburg sagt: „Arbeitszeit ist Lebenszeit. Soll heißen: Die Zeit, die wir haben, ist wertvoll. Folglich muss sie derart genutzt werden, dass die Menschen glücklich sind und zwar nicht nur im privaten Bereich, sondern vor allem auch im Job, schließlich verbringen wir einen beträchtlichen Teil unserer Lebenszeit bei der Arbeit.“

Good Place to work

Insbesondere aufgrund der Digitalisierung und globalen Vernetzung hat die Dynamik in der Arbeitswelt in den letzten Jahren massiv zugenommen: Projekte müssen schneller und flexibler abgewickelt werden, Kollegen besser miteinander kommunizieren sowie kooperieren und Teams selbstverantwortlich agieren. Als Folge wurde unter anderem der Ruf nach agilem Arbeiten laut. Da dies für Führungskräfte ebenso eine Umstellung bedeutete wie für deren Mitarbeiter, wurde ihnen nicht selten ein sogenannter agiler Coach zur Seite gestellt.
Diese und andere Veränderungen stellen Unternehmer und Belegschaft seither permanent vor Herausforderungen. Agiles Arbeiten ist eine gute Antwort darauf, macht den Arbeitsplatz allerdings nicht gleich zu einem „good place“, wo sich die Mitarbeiter wohlfühlen. Es gab – und gibt – freilich viele Firmen, die sehr nah an den Menschen sind. Vielfach passiert(e) das aber eher aus dem Bauch heraus und somit ohne Qualitätskriterien und Standards. Für Monika war daher recht schnell nach der Gründung von GOODplace klar, dass hier Handlungsbedarf besteht: „In einer neuen, modernen Arbeitswelt mit einem menschenzentrierten Mindset braucht es jemanden, der dafür Sorge trägt, dass diese Art der Unternehmenskultur nachhaltig im Betrieb implementiert wird.“ Zusammen mit dem Fraunhofer Institut wurde das Berufsprofil des Feelgood-Managers entwickelt, das nunmehr seit bald zehn Jahren an der GOODplace Academy gelehrt wird.
Mittlerweile ist das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen – nicht nur, weil das Gut „Arbeitskraft“ knapper wird, sondern weil sich die Menschen eben immer öfter die Sinnfrage stellen, wenn es um die Arbeit geht: Was bringt mir meine Arbeit? Ergibt es für mich persönlich Sinn, dass das Unternehmen, in dem ich tätig bin, jährlich seine Gewinne maximiert? Oder bleibe ich als Mensch dabei auf der Strecke? Inwiefern schade ich durch mein Tun der Umwelt?
Und es sind nicht nur die Millennials oder die Gen Z, die sich mit diesen und anderen Fragen beschäftigen. Auch die „alte Garde“ und somit langjährige Mitarbeiter hinterfragen ihr (berufliches) Tun. Und es ist Aufgabe des Unternehmens, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass derartige Sinnfragen im Betrieb beantwortet werden können.

Mitarbeiter im Mittelpunkt

Hier kommt der Feelgood Manager ins Spiel. Dieser ist allerdings keine Manager, der Bälle im Raum herumwirft oder mal ein bisschen den Nacken massiert, um Verspannungen aufzulösen. Er ist ebenso wenig der Kümmerer, der sich um die Probleme seiner Mitarbeiter kümmert. Der Feelgood Manager ist ein Kulturgestalter für menschenzentriertes Arbeiten. Dabei weiß er oft gar nicht, was die Menschen brauchen, um sich bei der Arbeit wohl zu fühlen. Und er gibt das offen zu, wie Monika hervorhebt: „Der Feelgood Manager fragt die Mitarbeiter, was sie brauchen, um sich an ihrem Arbeitsplatz langfristig wohl zu fühlen. Er hat das ‚Go‘ derartige Fragen zu stellen und die Themen anzugehen – und zwar sowohl vonseiten der Geschäftsführung als auch vonseiten der Mitarbeiter. Da diese nämlich gefragt werden und ihre Wünsche und Vorstellungen mitteilen können, fühlen sie sich gesehen, wahrgenommen und gehört. Sie erleben eine Art ‚Wow-Effekt‘, weil ihnen klar wird: Unsere Führung weiß, dass es besser ist, uns zu fragen, was wir brauchen, als uns irgendwelche Konzepte drüber zu stülpen.“
Feelgood Management zeigt sich unter anderem in einem wertschätzenden Umgang, verlässlichen Strukturen und nachhaltigen Rahmenbedingungen. Die Mitarbeiter müssen täglich spüren, dass sich der Arbeitgeber tatsächlich mit ihren Belangen auseinandersetzt, dass ihre Ideen gehört und wenn möglich umgesetzt werden. Dafür erntet der Arbeitgeber strahlende Gesichter, besseres Feedback und vor allem Mitarbeiterempfehlungen – das ohnehin beste und kostengünstigste Marketingtool überhaupt. Dieses kann im Übrigen gemessen werden und ist somit ein aussagekräftiger Indikator dafür, dass sich Mitarbeiter tatsächlich wohlfühlen. „In einer menschenzentrierten Arbeitswelt geht es nicht um Krankenstände und Produktivität. Es geht um Lösungen für Zukunftsfragen – von der Zufriedenheit am Arbeitsplatz über die Gesundheit bis hin zum Klima. Die Welt wird immer komplexer und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit haben sich längst aufgelöst. Entsprechend brauchen wir Mitarbeiter, die über Fachwissen verfügen und psychosoziale Fähigkeiten mitbringen, die mitdenken und sich engagieren. Es braucht Hirn und Herz und die Möglichkeit, all das auch einbringen zu können“, ist Monika Kraus-Wildegger überzeugt.

Feelgood Manager als Brückenbauer

Seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten war es Usus, dass die Geschäftsführung Ziele vorgibt und sagt, was getan werden muss. Dennoch würde es im Chaos enden, wenn ein Unternehmen nun von einem Tag auf den anderen auf Feelgood Management macht, schließlich haben sich die Mitarbeiter durchaus daran gewöhnt, dass hierarchisch von oben nach unten entschieden wird. Und mit der – überspitzt formulierten – Ansage „fühl Dich ab jetzt wohl“ kann niemand etwas anfangen. Um nachhaltig etwas verändern zu können, gilt es, das gesamte System anzuschauen. „Allerdings scheitern 75 Prozent der Change-Projekte, so aktuelle Studien. Das bedeutet auch, dass das Unternehmen sehr viel Geld verliert“, weiß Monika und fügt hinzu: „Es braucht daher einen Übergang. Eine Brücke, die wir mit dem Feelgood Management schaffen können.“
Es geht also nicht gleich ans Eingemachte, sondern erst einmal beispielsweise um die interne Unternehmenskultur. So befasst sich der Feelgood Manager etwa mit der internen Kommunikation. In vielen Fällen funktioniert diese nämlich nicht, was sich unter anderem darin zeigt, dass die Spitze gar nicht weiß, wie die Stimmung im Unternehmen tatsächlich ist. Um die Mitarbeiter aber nicht sofort zu „überfahren“, geht der Feelgood Manager neue Wege in der Kommunikation: Im Rahmen einer internen Messe oder eines Mitarbeiterevents wird die Belegschaft aufgefordert, über ihre Arbeitsbedingungen Feedback zu geben. Die Ergebnisse werden transparent kommuniziert und die Mitarbeiter sind eingeladen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die dann im Zuge von Pilotprojekten umgesetzt werden können. „Beim Feelgood Management geht es darum, Fragen zu stellen und die Mitarbeiter ernst zu nehmen“, erklärt Monika. „Die Menschen werden eingeladen, sich einzubringen. Wenn jemand nicht möchte, wird ihm signalisiert, dass auch das OK ist. Erfahrungsgemäß entsteht aber rasch eine Eigendynamik, es werden Gruppen gebildet, die Maßnahmen formulieren, Kampagnen erstellen und sich komplett selbst organisieren.“
Fakt ist: Zukunftsfähigkeit bedeutet in der Arbeitswelt, menschenzentriert mit Herz und Hirn zu agieren. In einer derartigen Unternehmenskultur sollten Unternehmer Antworten auf die Sinnfragen der Menschen haben. Daher müssen sie anfangen, die Arbeitnehmer zu fragen: Was braucht ihr, um einen guten Job machen zu können – heute genauso wie übermorgen? Nur so kann der Arbeitgeber sicherstellen, dass seine Mitarbeiter ein Umfeld vorfinden, wo sie sich mit all ihren Fähigkeiten und Potenzialen einbringen können – und das auch möchten.

 

GOODplace-Gründerin und Geschäftsführerin Monika Kraus-Wildegger (© Gaby Bohle)

 

Fakten zu GOODplace

Volkswirtin Monika Kraus-Wildegger arbeitete viele Jahre in der IT-Branche und als Nachhaltigkeitsmanagerin für einen großen Konzern. Nach zahlreichen Auslandsaufenthalten gründete sie 2012 GOODplace in Hamburg, das anfangs ganz im Zeichen von „guten Beispielen“ stand. Aber schon bald war klar: Für den Wechsel zu einer Unternehmenskultur, die Leben und Arbeit unter einen Hut bringt, braucht es Menschen, die ihn gestalten – und zwar hauptberuflich! Die Idee der Feelgood Manager-Ausbildung war geboren. GOODplace steht heute für die fundierteste und engagierteste Kompetenz in diesem Bereich.
Die Fachausbildung dauert sechs Monate und umfasst sechs Module (drei davon in Hamburg, plus Facharbeit, Hospitanz, Prüfung und Zertifizierungsprozess). Mittlerweile gibt es über 300 Certified Feelgood Manager. Daneben bietet die GOODplace Academy Masterclasses, Learning Circles und Meet ups in verschiedenen Regionen.
Weitere Infos unter www.goodplace.org

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Gestaltbarkeit,Good News

Feelgood at work, denn Lebenszeit ist Arbeitszeit

Immer mehr Menschen stellen sich die Sinnfrage im Job. Warum es an den Unternehmen liegt, ihnen Antworten zu ermöglichen und wie ihnen Feelgood Management dabei helfen kann.

Mit dem Dokumentarfilm „Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“ habt ihr 2017 ein positives Bild der Zukunft gezeichnet, während ansonsten schon damals gefühlt nur von Krisen gesprochen wurde. Hat sich deine Sicht auf die Zukunft durch diesen Film verändert?
Produzent Michael Kitzberger wollte Menschen vor die Kamera holen, die sich gesellschaftlich engagieren, die einer eigenen Überzeugung folgen und Dinge angehen, die nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Umwelt wichtig sind. Menschen, die durch ihr Tun Hoffnung geben, Mut machen und inspirieren. In der Schnittphase haben wir nochmals über den Titel nachgedacht. Und zufällig bin ich beim Theater in der Josefstadt über den Satz „Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“ gestolpert. Das ganze Team war sich einig, dass das der richtige Titel ist, schließlich setzen sich alle Protagonisten für eine Zukunft ein, die ihnen lebenswert, menschlich nahbar und ökologisch sinnvoll erscheint. Der Film ermöglicht eine Art des Innehaltens, bietet eine kurze Irritation inmitten des ganzen „schlecht Redens“, sodass die Zuschauer hinterfragen können, was sie selbst über die Zukunft glauben und wie diese sein könnte. Auch ich frage mich oft: Was kann ich selbst beitragen, damit die Zukunft besser wird als ihr Ruf? Was braucht es, damit Menschen Handlungen setzen und ihre eigenen Potenziale ausloten im Hinblick auf das, was möglich ist? Und: Sind diejenigen, die glauben, einen neuen Weg gefunden zu haben, offen genug, in weiterer Folge möglicherweise etwas wieder zu integrieren, was man zuvor weggeschoben hat?

In vielen Dingen braucht es sicherlich eine gewisse Radikalität, damit bestehende Dinge überhaupt aufbrechen können, aber eben auch den kritischen Diskurs im Anschluss.
Ja, die Fähigkeit, in der eigenen Bubble etwas Neues, etwas Anderes auszuprobieren. Aber eben auch etwa im zwischenmenschlichen Dialog herauszufinden, was nicht funktioniert, was man wieder bzw. noch ändern sollte usw. – das ist ein anspruchsvoller Prozess. Ich durfte sehr früh miterleben, was es heißt, neue Weg zu gehen, von denen viele sagten: Das geht doch nicht Und es hat mich sehr geprägt, als Teil einer Gruppe von Pionieren aufgewachsen zu sein. (Teresas Vater hat 1990 in Herzogenburg eine alternative Schule gegründet – heute Lernwerkstatt im Wasserschloss in Pottenbrunn, Niederösterreich; Anm.)

Hast du vielleicht aus diesem Grund den Beruf der Filmemacherin gewählt, bei dem du viel gestalten kannst?
Es war weniger eine bewusste Entscheidung, als vielmehr ein innerer Ruf. Irgendwann hatte ich die Klarheit, dass das mein Platz ist. Ich denke mir gerne neue Sachen aus. Da kommt es mir sehr zugute, dass ich das als Künstlerin auch umsetzen kann. Wobei die frühe Prägung sicherlich eine Rolle gespielt hat, denn selbst wenn alle sagen, dass etwas nicht geht, kann es trotzdem funktionieren. Anfangs habe ich diesen Glauben an die Möglichkeit des Gestaltens vielleicht mit einer gewissen Naivität weitergetragen und musste auch feststellen, wo die Grenzen aus der individuellen Position heraus liegen.

Mittlerweile aber machst Du Filme, die motivieren. Die meisten Dokumentarfilme hingegen zeichnen dystopische Zukunftsbilder.  
Nun, Dokumentarfilme beschäftigen sich mit der Realität und haben durchaus die Aufgabe, Missstände aufzuzeigen. Allerdings bleibt dann am Ende oft das Gefühl, alles läuft schief und man selbst kann nichts dagegen tun. Doch man kann sich als Filmemacher auch bewusst entscheiden, nicht nur Probleme aufzudecken, sondern sich außerdem auf die Suche nach möglichen Antworten und Lösungen zu begeben. In „Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“ waren das eben Menschen, die für sich selbst Wege gefunden haben und dadurch vielleicht Zuschauer inspirieren. Es ist ohnedies meine Hoffnung, dass einzelne Menschen erkennen, was ihre Aufgabe ist und wie sie diese wahrnehmen und Rahmenbedingungen schaffen können, sodass ihr Umfeld reagiert.
Wenn ich das große Ganze betrachte und mir überlege, wo es hinauslaufen kann, werde ich auch dystopisch. Schau ich mir aber an, was ich selbst tun und wie ich konstruktiv beitragen kann, komme ich in eine lösungsorientierte Denkweise und in meine kreative Energie. Auch wenn ich mich dabei vielleicht auf das beschränke, was in meiner Macht liegt.

Ich bin ja der Meinung, dass wir ohnehin nur den eigenen Machtkreis beeinflussen können. Oder sagen wir so: Ich kann andere nicht verändern. Doch ich kann sie durch mein Tun ermutigen.
Ja. Manchmal aber braucht mehr als nur meinen Beitrag. Dann muss ich akzeptieren, dass ich nur für mein eigenes Leben verantwortlich bin und nur mir selbst gegenüber Rechenschaft ablegen muss. Wenn ich an all die tollen Menschen denke, die alles gegeben und viel bewegt haben und trotzdem gestorben sind, ohne dass sie die Probleme, mit denen sie sich beschäftigt haben, lösen konnten, macht mich das einerseits traurig. Denn es zeigt, wie starr unsere Welt ist und wie langsam Veränderungen stattfinden. Andererseits hat es mich zu dem Punkt gebracht, dass ich das Leben, das mir gegeben wurde, sinnvoll nutzen, es aber auch leben möchte. Soll heißen: Wenn ich mich nur mit dem Negativen beschäftige, verpasse ich mitunter die vielen schönen und guten Dinge.

Da bin ich voll bei Dir. Zumal nicht nur schlechte Dinge passieren. Sie sind nur „lauter“ als all das Positive, das Mut und Lust auf Zukunft machen kann – wie ja „Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“ zeigt. Weißt Du, ob der Film etwas ausgelöst hat?
Ich hoffe und denke schon. Leider erfahre ich das in den seltensten Fällen – und wenn nur zufällig. So habe ich zum Beispiel bei einer Party jemanden getroffen, der mir erzählt hat, dass er, nachdem er den Film gesehen hat, eine WhatsApp-Gruppe gegründet hat, in der die Mitglieder darüber informieren, wenn sie irgendwohin fahren, wo es gute Lebensmittel gibt. Ein anderes Beispiel ist ein Straßenfest, das jemand vor allem für die vielen „Zuagrasten“ während der Lockdowns organisiert hat, nachdem er „Rettet das Dorf“ gesehen hat (in dem 2020 erschienenen Dokumentarfilm zeigt Teresa neue Perspektiven sowie Potenziale auf und erzählt von Menschen, die mit ihren Ideen zu einer Entwicklung beitragen, die das Dorf weiterleben lässt; Anm.).

Welche Möglichkeiten gibt es denn, damit Filme mehr Wellen schlagen? Du machst unter anderem Filmbesprechungen im Anschluss.
Ja. Filmbesprechungen bieten tolle Gelegenheiten und es war und ist mir ein großes Anliegen neben den üblichen Fragen zum Film einen Raum zu bieten, wo die Menschen Dinge aussprechen können, die später eventuell aufgegriffen und weiterverfolgt werden. Dabei ist schon die Tatsache, dass man Filme physisch live an einem Ort anschaut, eine große Qualität des Kinofilms. Schaut man Filme nur mehr zuhause an, lässt man sich gewissermaßen die Chance entgehen, mit Gleichgesinnten zusammenzukommen, zu sehen, wen dieser Film in der eigenen Umgebung auch anspricht und möglicherweise im Anschluss ins Gespräch zu kommen.

Womit wir wieder beim kritischen Diskurs sind. Danke Dir, Teresa, dass wir hier einen solchen führen und vielleicht auch Mut und Lust auf Zukunft machen und inspirieren konnten.

 

Teresa Distelberger (© NGF)

Zur Person: Teresa Distelberger

… ist Filmemacherin mit Fokus auf Kurz- und Dokumentarfilme. 2017 kam der mit der ROMY 2018 als „Beste Kino-Doku“ ausgezeichnete Film „Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“ in die Kinos, den sie gemeinsam mit Niko Mayr, Gabi Schweiger und Nicole Scherg realisierte. 2020 folgte mit „Rettet das Dorf“ (2020) der erste Langdokumentarfilm, den die Wahl-Wienerin als alleinige Regisseurin verantwortete. In Performances, Installationen und dialogische Kunsträume beschäftigt sich die Künstlerin außerdem mit ländlichen Traditionen, urbanen und globalen Lebenswelten, Gedenkkultur und einer vielschichtigen Interpretation des kontroversen Heimatbegriffs.
www.artofco.com

 

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Gestaltbarkeit,Im Gespräch mit...

Wenn wir im Film der Zukunft begegnen…

Filmemacherin Teresa Distelberger durfte schon als Kind erfahren, dass die Zukunft mehr Potenzial bietet, als man ihr zugesteht. Ein Gespräch über Gestaltungsmöglichkeiten des (künstlerischen) Tuns, warum Dokumentarfilme nicht dystopisch sein müssen und wieso wir sie im Kino anschauen sollten.

Seit jeher erzählen uns Märchen, wie die Welt einmal war, und dass der Held und die Prinzessin noch heute leben, wenn sie nicht gestorben sind. Warum tun wir das? Warum erzählen wir den Kindern Geschichten aus längst vergangenen Tagen? Wobei Letzteres gar nicht stimmt, denn sprechende Wölfe, Froschkönige, Erbsen sortierende Stieftöchter und sieben Zwerge hinter sieben Bergen hat es auch anno dazumal nicht gegeben. Dabei können Fantasiewelten dabei helfen, die Zukunft abzubilden und eine Zukunftsstory zu schreiben. Nicht jedoch, wenn sie derart grausam daherkommen, wie das in vielen Märchen der Fall ist. Wie also sollen Kinder, die allabendlich mit solchen Geschichten konfrontiert werden, zu Menschen heranwachsen, die die Zukunft gestalten wollen?
Natürlich könnte man nun argumentieren, dass es bisher ja funktioniert habe. Wobei man sich dann halt auch die Gegenfrage gefallen lassen muss: Und wohin hat uns das gebracht? Wir leben in einer Welt, in der es für viele darum geht, Besitz anzuhäufen und sich Sorgen darüber zu machen, all die vielen Dinge zu verlieren, von denen man nur einen Bruchteil tatsächlich braucht. Damit nicht genug machen wir uns fortwährend Gedanken über die Vergangenheit und können vielfach nicht akzeptieren, dass das Gestern schlicht und ergreifend vorbei ist. Wir können es nicht ändern, ärgern uns dessen ungeachtet maßlos über Schnee von gestern und sind gleichzeitig davon überzeugt, dass früher alles besser war. Irgendwie hat das schizophrene Züge und doch kann es einen ja gar nicht wundernehmen, wenn wir schon im Kindesalter auf „Es war einmal…“ getrimmt werden.

Erinnerungen an die Zukunft

Wobei es ohnehin müßig ist, sich Gedanken darüber zu machen. Vielmehr drehen wir uns dabei im Kreis, denn positive Zukunftsbilder können nicht gezeichnet werden, wenn wir in der Vergangenheit verhaftet bleiben – ganz egal, ob sie uns vor lauter Ärger weiße Haare beschert oder verherrlicht wird. Und so wird einmal mehr der Ruf nach neuen Narrativen laut. Für manche mag der Begriff abgelutscht sein, weil er in den letzten 20 bis 30 Jahren durchaus inflationär verwendet wurde. Andere wiederum verstehen die ganze Aufregung nicht, denn laut Duden handelt es sich schlichtweg um eine sinnstiftende Erzählung. Und man muss dem Narrativ auch nicht mehr Bedeutung beimessen, als nötig. Aber man kann – vorausgesetzt es hält, was es verspricht. Wenn es einer Geschichte nämlich gelingt, sinngebende Werte und positive Emotionen zu transportieren, kann sie wesentlich dazu beitragen, den Menschen Orientierung, Klarheit und Sicherheit zu bieten. Und genau das brauchen wir, wenn wir die Zukunft selbst in die Hand nehmen und optimistisch in die Welt von Morgen und Übermorgen schreiten möchten.
Wollen wir also die Zukunft gestalten, müssen wir anfangen, Geschichten über sie zu schreiben und zu erzählen. Und zwar in der Form, dass sie die Hörer und Leser nicht nur mitreißen und in ihren Bann ziehen, sondern dass sie selbst zu Protagonisten werden wollen und können. Wir brauchen mutige und motivierende Zukunftsstorys, die Lust auf mehr machen. Vor allem wenn die Zukunft nur mehr schwarz gemalt wird, wie das seit geraumer Zeit von den Entscheidungsträgern und Medien getan wird. Es wird Angst geschürt und Verzweiflung gesät, sodass die allgemeine Lethargie beständig zunimmt und zu einem gesellschaftlichen Stillstand geführt hat, der historisch betrachtet seinesgleichen suchen kann. Sir Anthony Hopkins hat einmal gesagt:

„We live in a world where the funeral is more important than the diseased, wedding is more important than love, external looks are more important than brains. We live in a culture of wrapping that despises the content.“

Von dieser Welt dürfen – nein, müssen wir uns wieder verabschieden. Wir müssen die Verpackung mit Inhalt füllen, Neugier und Experimentierfreude statt Passivität an den Tag legen und mit einem kreativen, intuitiven und neuen Mindset an die Zukunft herangehen. Wir müssen eine Zukunftsstory schreiben, die Erinnerungen an die Zukunft schafft. Das klingt auf den ersten Blick absurd, schließlich können wir uns nur an Dinge erinnern, die bereits passiert sind. Erinnerungen sind immer an Erfahrungen gekoppelt, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. So zumindest haben wir es gelernt – in der Schule und im wahren Leben. Gut und verständlich erzählte, inhaltlich emotionale und vor allem sinnstiftende Erzählungen über die Zukunft können sich allerdings auch in der Erinnerung einprägen. Dabei ist es einerlei, ob wir als Individuum in die Rolle des Hauptdarstellers unserer eigenen Zukunftsstory schlüpfen oder ob ein Unternehmen eine Art Simulation entwirft, wie der Betrieb in Zukunft ausschauen, mit welchen Produkten und Dienstleistungen er seine Kunden im wahrsten Sinne des Wortes beglücken und welche Vision(en) er verfolgen wird.

Narrative Zukunftsstory

Je besser die Geschichte ist und auch vermittelt wird, umso eher kann das menschliche Gehirn diese Zukunftserinnerungen tatsächlich abspeichern. Und das ist ganz wesentlich, weil wir derart positive Erinnerungen brauchen, um eine zukunftsaffine und zukunftsoffene Einstellung, Denkweise, Haltung, Mentalität und Weltanschauung zu etablieren. Nur so kann sich ein Mindset entwickeln, das uns optimistisch in die Zukunft blicken und gehen lässt.
Eine wichtige Voraussetzung, um eine reale und somit möglichst realisierbare Zukunftsstory zu schreiben, ist ein gewisses Grundwissen über die Zukunft. Das heißt nicht, dass wir nun alle Experten im Bereich der Zukunft oder gar Zukunftsforscher werden müssen. Ebenso wenig müssen wir jeden Megatrend im kleinsten Detail kennen. Das ist zum einen gar nicht möglich und wäre zum anderen auch der falsche Ansatz. Denn, wenngleich das Aufzeigen von Megatrends wichtig ist, fühlt sich der Einzelne oftmals von ihnen überfordert. Kein Wunder, schließlich handelt es sich dabei um Umschwünge, die sich auf unterschiedlichsten Ebenen der Gesellschaft vollziehen. Das passiert nicht von heute auf morgen, sondern vielmehr langsam über einen längeren Zeitraum. In Zeiten wie diesen darf man sich zwar berechtigterweise fragen, was man unter langsam versteht. Doch Fakt ist: Mega ist für viele schlichtweg eine Spur zu groß, weil sie die Trends nicht auf das eigene Leben, das eigene Unternehmen herunterbrechen können. Das ist aber gar nicht nötig. Solange wir die großen Veränderungen im Blickfeld haben, uns mit den verschiedenen Möglichkeiten auseinandergesetzt und ihnen einen Raum gegeben haben, sind wir schon mal gut aufgestellt. So nämlich können wir uns auf die Reise machen, die eigenen Zukünfte in Geschichten abzubilden.

Erzähl‘ mir vom Morgen

Bei der Future Design Akademie vergleicht man die Zukunft mit einer Knetmasse, die es zu formen gilt. Und das passiert nicht (nur) mit den Händen, sondern im ersten Schritt mit den Gedanken. Freilich kann niemand die Zukunft vorhersagen, schließlich wurde die Glaskugel noch nicht erfunden – und hoffentlich wird das nie der Fall sein, denn wenn wir alles wüssten, könnten wir die Zukunft nicht mehr gestalten.
Auf Urdu, der Nationalsprache von Pakistan, gibt es den Begriff goya: Eine Geschichte, die so gut erzählt wurde, dass kein Zweifel mehr aufkommen kann, dass sie real ist bzw. sein könnte. Genau so müssen wir unsere Zukunftsstory schreiben, denn ein Märchen wollen wir niemandem aufbinden. Schon gar nicht wollen wir eine Zukunft, die wir uns nicht einmal in den schlimmsten Träumen ausgemalt hätten – wer will schon vom Wolf gefressen werden?! Das bedeutet nicht, dass wir nur von kunterbunten Blumenwiesen mit eierlegenden Wollmilchsäuen im Schlaraffenland erzählen. Eine gute Geschichte über die Zukunft muss Probleme benennen, Risiken aufzeigen und Herausforderungen im Blick haben, dann nämlich können sie auch gemeistert werden. Dann können wir am Ende als Helden reüssieren.
…und wenn wir heute damit anfangen, werden wir es morgen noch (er)leben.

 

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Christiane Mähr,Gestaltbarkeit

Zukunftsstory: Es wird einmal sein…

Wir müssen anfangen, Geschichten von der Zukunft zu erzählen, sodass wir uns heute schon an das Morgen erinnern können. Wie das geht und warum wir dabei selbst in die Rolle des Helden unserer eigenen Zukunftsstory schlüpfen dürfen.

Ich habe oft das Gefühl, dass im Bildungsbereich vorwiegend altes Wissen und somit Vergangenheit vermittelt werden. Zum Teil ist das natürlich notwendig, aber die Zeiten verändern sich so schnell, dass doch der Fokus auf der Welt von Morgen liegen sollte. Wie viel Zukunft steckt also deiner Meinung nach in der Hochschule?
Ich bin nun seit fünfeinhalb Jahren an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (kurz RWU), war davor im Lebensmitteleinzelhandel und in der Industrie tätig und im Vergleich dazu kann man das Konstrukt der Hochschule wohl als eher träge bezeichnen. Das liegt unter anderem an sehr langen Entscheidungswegen, die eingehalten werden müssen. In vielen Bereichen sind wir an Ministerien und/oder Bundesländer gekoppelt und Teil eines Beamtenapparats. Manch einer wechselt sogar von der Wirtschaft oder Industrie an die Hochschule oder Universität, weil er diese Art der Langsamkeit sucht. Ein derartiges Umfeld bietet Sicherheit, bremst aber gleichzeitig das System.
Ich selbst habe mich ganz bewusst auf den Weg zur Professur gemacht, weil ich junge Menschen in ihrer persönlichen Weiterentwicklung begleiten möchte. Glücklicherweise habe ich die Möglichkeit, meine Lehrpläne im Rahmen der Vorgaben von den Inhalten frei und großzügig zu gestalten. Auch in der Arbeitsweise habe ich freie Hand; für mich ist diese Freiheit unbezahlbar.

Gibt es denn mehr von „deiner Sorte“? Sprich: Lehrende, die Wandel und somit Zukunft gestalten wollen?
Ja und das ist essenziell, denn wir müssen Wandel forcieren, alleine wegen des demografischen Wandels, den wir als Hochschule im ländlichen Raum besonders spüren. Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Hochschulen und müssen entsprechend Differenzierungsmerkmale aufweisen. Zum Glück also haben immer mehr meiner Kolleginnen und Kollegen den Anspruch, jungen Menschen etwas für die Zukunft mitzugeben. Dafür müssen wir uns allerdings mit den Themen der Zukunft wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Globalisierung usw. eingehend beschäftigen.

Reicht es denn, auf Zukunftsthemen zu setzen, um eine Hochschule der Zukunft zu werden?
Nein. Wir müssen vielmehr die Studiengänge zukunftsfähig gestalten – und zwar sowohl inhaltlich als auch in der Art und Weise wie wir diese Inhalte vermitteln. An der RWU arbeiten wir schon länger an neuen Lernkonzepten, erproben sie im Hochschulalltag und passen sie kontinuierlich an. Interaktion wird beispielsweise immer wichtiger. Freilich kann man mit einer Anfängergruppe von 120 Leuten nicht in einen Dialog treten, wie das in der Kleingruppe möglich ist. Frontalunterricht allerdings, wie er noch vor 20 Jahren gang und gäbe war, gibt es bei mir so gut wie nicht mehr – zum Glück. Außerdem setzen wir sehr stark auf projekt- und praxisbasiertes Lernen mit echten Case Studies, zu denen etwa Mitarbeiter von Firmen zu uns an die Hochschule kommen.

Klingt interessant. Zu meiner Zeit habe ich Case Studies nur auf dem Papier durchgearbeitet.
Bei mir gab’s im Studium eigentlich nur Frontalunterricht. Umso mehr freut es mich, dass die RWU unterschiedliche Kooperationen mit Unternehmen aus Wirtschaft und Industrie hat. Ein Beispiel hierfür ist Dell Technologies: Pro Semester arbeiten bis zu zehn Mitarbeiter mit den Studierenden in Kleingruppen und unterfüttern sozusagen Theorie mit Praxis. Vielfach geht es dabei um Themen, die bei Dell Technologies künftig von Interesse sein werden – etwa die die Frage, welche Aufgaben die Digitalisierung im Pflegedienst künftig leisten wird können und müssen. Immerhin haben wir es bereits heute mit einem Fachkräftemangel zu tun, der ab 2030 so richtig zum Problem wird. Das sind Themen, über die Studierenden nachdenken müssen, denn es braucht dringend adäquate Lösungen. Die Manager von Dell Technologies holen sich von unseren Studierenden über verschiedene Rechercheansätze wertvollen Input, für den im Arbeitsalltag eines Managers schlichtweg die Zeit fehlt. So lassen sie etwa Marktrecherchen durchführen, geben wissenschaftliche Analysen in Auftrag usw. Im Gegenzug profitieren die Studierenden vom enormen Praxiswissen der Dell Coaches. Es ist eine klassische Win-Win Situation für beide Seiten. Und die Ergebnisse lassen sich oft vorzeigen: Auch eine App für digitale Anwendungen wurde im Rahmen dieser Kooperation schon entwickelt.

Mir scheint eine Hochschule sowieso der ideale Ort für Experimentier- und Möglichkeitsräume.
Absolut. Die RWU hat zahlreiche Labore, in denen die Studierenden forschen und praxisnah arbeiten können. Viele Labore sind technischer Natur. Im Bereich Marketing haben wir ein Marketing Insight Excellence Lab, wo das Blickverhalten mittels Eye Tracking erfasst, analysiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Fakultätsübergreifend gibt es beispielsweise unser Formula Student Team. Hier konstruieren und fertigen Studierende Rennwagen und nehmen damit jedes Jahr beim weltweit größten Konstruktionswettbewerb für Studierende teil. Bei all diesen Projekten werden aber nicht nur Theorie und praktische Erfahrungen vereint, die jungen Menschen haben auch Spaß. Und das ist besonders wertvoll. Wenn man die Grenzen nicht so eng zieht, wenn also Freude am Lernen erlaubt bzw. gefördert wird, führt das im Endeffekt zu besseren Ergebnissen.
Fachwissen ist wichtig, um verschiedene Sachverhalte miteinander in Verbindung bringen zu können. Genauso wichtig – wenn künftig nicht vielleicht sogar noch wichtiger –, ist kreatives Denken und vor allem das Wissen und Können, wie man kreative Ideen auf den Weg bringen kann. Nicht zuletzt aus diesem Grund spielt Interdisziplinarität an der RWU eine entscheidende Rolle.

Du meinst, weil Interdisziplinarität das Entstehen von Innovation fördert, die ja oft genau dort, nämlich an der Grenze zwischen Disziplinen entstehen?
Ja. Aber auch weil wir viel Wert auf zwischenmenschliche Werte legen. Und diese sind nicht nur für das Leben an der Hochschule nötig, sondern in der „Welt draußen“ mittlerweile unerlässlich. Einer meiner Kollegen ist Psychologe, wodurch wir die Studierenden etwa hinsichtlich Führungsthemen, Resilienz, Mindset usw. ganz anders unterstützen können. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass unsere internationale Ausrichtung wesentlich dazu beiträgt, dass die Studierenden sich gegenüber anderen Kulturkreisen öffnen. Auch das ist notwendig, denn die Welt wächst kontinuierlich zusammen.

Apropos Ausland: Ich habe gelesen, dass ihr beim MBA-Studiengang International Business Management & Sustainability auch Studienreisen macht – und zwar nicht nur „um die Ecke“, sondern bis nach Thailand, Singapur oder Kanada.
Ja, denn für international tätige Führungskräfte ist es entscheidend, über unterschiedliche Kulturen Bescheid zu wissen und interkulturelle Gegebenheiten zu beachten. Daher haben wir diese Studienreisen verpflichtend in den Lehrplan aufgenommen, wobei es für die Studierenden weniger eine Pflicht ist, wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat. Vielmehr nehmen sogar ehemalige Studierende daran teil, unter anderem weil sie wissen, wie wichtig das Netzwerk ist – im International Business eben auf internationaler Ebene.
Neben diesen außereuropäischen Reisen planen wir übrigens im Frühjahr kommenden Jahres eine Reise nach Schweden, um ein Startup zu besuchen, das innovative Verschlüsse auf Naturfaserbasis entwickelt. Und wenn wir schon in Schweden sind, wollen wir uns auch Gemeinden anschauen, bei denen Nachhaltigkeit in einer Art und Weise gelebt wird, von der wir hier nur träumen können. Der Kontakt ist übrigens durch einen ehemaligen Studenten von mir entstanden, der ebendort arbeitet.

Womit wir wieder beim Netzwerk wären. Bei Zukunft Neu Denken nennen wir dieses ja die „Schaltzentrale“ der Plattform. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob jemand bereits über jahrelanges Wissen verfügt oder ganz neu im Feld der Zukunft ist. Wir können alle voneinander lernen und profitieren.
Stimmt. Der Austausch ist so wichtig, denn dabei entstehen neue Ideen. Manche davon sind umsetzbar, andere nicht. Doch darum geht es in erster Linie gar nicht. Stehenbleiben ist Rückschritt. Natürlich verfügen wir Lehrenden über mehr Fachwissen, doch oftmals braucht es eben diesen neuen Blick von außen, den die Studierenden mitbringen. Im Alltag ist das für mich zwar manchmal eine Herausforderung, weil ich meinen Lehrplan immer wieder über den Haufen schmeiße und neu aufstelle. Aber es liegt halt auch in meiner Natur, vorwärts zu denken und die jungen Menschen auf die Zukunft vorzubereiten.

Da bekommt man richtig Lust, wieder zu studieren. Danke für das schöne Gespräch, Barbara!

 

Barbara Niersbach (ganz rechts) und ihr Team (© RWU Hochschule Ravensburg-Weingarten)

 

Zur Person: Prof. Dr. Barbara Niersbach

… ist Studiendekanin des berufsbegleitenden Master-Studiengangs „International Business Management & Sustainability“ an der RWU Hochschule Ravensburg-Weingarten, Professorin für B2B-Marketing and Sales und Auslandsbeauftrage der Fakultät. Die studierte Dilpom-Kauffrau war zuvor mehrere Jahre im Lebensmitteleinzelhandel und Industriebereich tätig, wo sie – zuerst als Verkaufsleiterin bei der Lidl Waldenburg GmbH & Co.KG und im Anschluss als Marketing Managerin in einem Unternehmen für technische Keramik – in die Welt des B2B-Managements eintauchte. 2016 promovierte die Mutter von zwei Kindern an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Neben ihrer Tätigkeit an der RWU ist Barbara zudem Dozentin im internationalen MBA an der Kempten Professional School of Business & Technology sowie am Management Center Innsbruck und Partner beim Coaching- und Consulting-Unternehmen KAM Experts.

…und übrigens: Klaus Kofler bietet zusammen mit Holger Bramsiepe von unserer Schwesterorganisation Future Design Akademie im Rahmen des Masterstudiengangs „Betriebswirtschaftslehre und Unternehmerisches Handeln“ das Wahlfach Zukunftsdesign an. Dabei lernen die Studierenden Zukunftsdesign als einen organisationalen Gestaltungsprozess verstehen und anwenden.

 

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Gestaltbarkeit,Im Gespräch mit...

Hochschule der Zukunft: Interdisziplinärer Experimentierraum

Prof. Dr. Barbara Niersbach, Studiendekanin MBA-Studiengang International Business Management & Sustainability an der RWU Hochschule Ravensburg-Weingarten (D), will junge Menschen auf die Zukunft vorbereiten. Was das mit Interdisziplinarität, interkulturellem Austausch, Case Studies und Laborarbeit sowie Networking zu tun hat und warum sie sich jedes Jahr auf Reisen begibt.