Gastkommentare sind Beiträge, die nicht aus der Redaktion von Zukunft Neu Denken entspringen.
Transformationen gibt es zurzeit unzählige. Wir hören von Transformationen im Umgang mit dem Klimawandel, von gesellschaftlichen als auch politischen Transformationen oder von solchen, die in Unternehmen vonstatten gehen. Und genau um diese Letzteren soll es an dieser Stelle gehen.
Transformare stammt aus dem Lateinischen und beschreibt einen Wandel von einem Zustand in einen anderen. Im betriebswirtschaftlichen Kontext ist es also das Vorhaben, eine Organisation von einem Zustand im Jetzt in einen definierten Zielzustand zu bringen. Als Gründerin und ehemalige Leiterin eines Transformation Offices in einem global tätigen Konzern habe ich mich viele Jahre immer wieder folgende Worte sagen hören:
„Wenn wir unser neues Geschäftsmodell erfolgreich umsetzen wollen, müssen wir beginnen, uns anders zu verhalten. Eine Transformation geschieht zuallererst im Innen. Erst dann kann ein Wandel nach außen wirken. Transformation heißt, dass wir damit beginnen, uns als Führungskräfte anders zu verhalten.“
Die Reaktion war meist zustimmendes Nicken. So weit, so gut. In den darauffolgenden Diskussionen ging es meist um Themen wie Kundenorientierung, Agilität, Selbstorganisation und sinnstiftende Zusammenarbeit, kürzere Entscheidungswege, flachere Hierarchien und autonome Teams. Und das alles führte schlussendlich zur „Erkenntnis“: Wir brauchen ein neues Mindset!
Daran ist natürlich nichts falsch. Und darüber, dass ein Mindset-Change hermuss, ist man sich in Führungskreisen auch rasch einig. Aber was heißt denn das eigentlich?
Das Verhalten der anderen
Ein neues Mindset bedeutet, dass sich die Leute anders verhalten sollen. Die Mitarbeiter tun nicht so wie das Management will. „Als Organisation sind wir zu wenig innovativ, zu wenig kundenorientiert und zu langsam“, so der Tenor. Der Pluralis Majestatis bezieht sich in diesem Fall jedoch nur auf einen Teil der Belegschaft. Gemeint sind also alle – außer dem Management.
Es wird in Führungsklausuren und Strategiemeetings viel über die notwendige Transformation und den vielgepriesenen Mindset-Change gesprochen. Man(n) ist sich der Dringlichkeit bewusst und auch dass das Ganze nicht so einfach wird. Aber in diesen Gesprächen denkt kaum jemand daran, dass eine Transformation gerade mit denjenigen zu tun hat, die den Wandel initiieren und vorantreiben wollen: den Führungskräften. Und so kommt es dazu, dass ein anderes Verhalten gewünscht ist. Das aber bezieht sich eben oft nur auf das Verhalten der anderen.
Der Satz „Wir brauchen ein neues Mindset“ ist mittlerweile zu einer derart weit verbreiteten Floskel geworden, dass sich niemand mehr zu fragen traut: „Was ist das eigentlich: ein neues Mindset?“ Mir fällt dabei immer die Matrix aus dem gleichnamigen Science-Fiction-Film ein. Ist mit dem Mindset-Change vielleicht auch das Upload eines neues Bewusstseins-Programms gemeint, sodass wir plötzlich neu denken können und uns anders verhalten?
Um zu einem neuen Denken zu kommen, müssen wir uns allerdings zuerst darüber bewusstwerden, was und wie wir heute denken, in welche Denkfallen wir tappen und welchen Mustern wir unbewusst unterliegen. Während die einen auf künstliche Intelligenzen aus dem Silicon Valley setzen, plädiere ich für die gute alte Philosophie: „Ich denke, also bin ich.“ René Descartes eröffnet uns damit die Möglichkeit, uns durch Denken zu verändern und uns folglich auch anders zu verhalten.
Mindset-Change transformieren
Transformation in Unternehmen ist ein anderes Wort für Reorganisation und Restrukturierung. Es geht in Wahrheit nicht um einen Wandel, sondern um das Bewahren der herkömmlichen Logik unter Verwendung des Begriffs Transformation. Auch wenn von einem Kulturwandel gesprochen wird, wird dieser letztendlich nicht ernst genommen. Da Kultur im derzeitigen Denken nicht in messbare Größen gegossen werden kann, spielt sie am Ende des Tages eine untergeordnete Rolle.
Eine neue Herangehensweise, die wirklich ein neues Mindset voraussetzt, würde sich nicht mehr an Profit als Zielgröße für den Erfolg einer Transformation orientieren. Wie in der Quantenphysik könnten stattdessen erstrebenswerte Seins-Zustände qualitativ beschrieben werden. Ein möglicher Zielzustand wäre dann zum Beispiel die Beschreibung gelingender Kooperationen im Unternehmen.
Der viel besprochene Mindset-Change im Unternehmenskontext hieße somit, endlich vom längst überholten Bild des homo oeconomicus abzugehen. Diesen Schritt zu gehen, verlangt allerdings nachdenken, hinterfragen, neu bewerten, umdenken und folglich sein Verhalten ändern.
Ich bin sehr wohl der Meinung, dass bei zahlreichen Unternehmen Transformationen anstehen. Und für viele Unternehmen ist es wirklich an der Zeit, an ihrem „Inneren” zu arbeiten, da sonst die Überlebensfähigkeit mittel- bis langfristig nicht mehr garantiert ist. Jedoch bezieht sich auch die Transformationsarbeit in Unternehmen in einem kulturellen Wandel. Und dieser setzt wiederum voraus, dass überholte Theorien, alte Muster und Handlungsweisen hinterfragt werden, dass neue Sichtweisen Einzug halten, neues Verhalten geübt wird und so an der Änderung der Wahrnehmung gearbeitet werden kann.
Ist das gegeben, könnten wir in der Tat vom Einzug eines neuen Mindsets im Sinne neuer Denk- und Verhaltensmuster sprechen. Und dann ist Transformationsarbeit auch wieder lohnenswert.
Über die Autorin: Michaela Burger
… leitete zuletzt die Marketing- und Kommunikationsabteilung des international tätigen Beschlägeherstellers Blum in Höchst. Zuvor war die gebürtige Niederösterreicherin viele Jahre bei Swarovski tätig, wo sie unter anderem für Strategie, Innovation und Transformation verantwortlich zeichnete. Ihre beruflichen Anfänge machte sie bei einem internationalen Biopharmazeuten im Human Ressource Bereich. Michaela ist außerdem Teil des Zukunftsrates von Zukunft Neu Denken.