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Future Mindset

Nicht einmal die Hälfte der Beschäftigten in der DACH-Region sieht einen Sinn im Job. 45 Prozent bezeichnen ihren Arbeitsplatz sogar als psychisch und emotional ungesund. Dies nur zwei Ergebnisse der jüngsten „Employee Engagement“-Studie von Great Place to Work, bei der 14.000 Arbeitnehmer aus 37 Ländern weltweit befragt wurden. Bedenklich ist übrigens auch, dass derartige Zahlen nur mehr wenige überraschen. Nicht erst seit Corona stellen sich immer mehr Menschen die Sinnfrage, wie Monika Kraus-Wildegger weiß: „Es reicht nicht mehr aus, den Menschen Geld anzubieten, um die Herausforderungen des Jobs zu bewältigen. War dies vor rund zehn Jahren nur latent zu spüren, ist es heute wohl jedem bewusst.“ Die Gründerin und Geschäftsführerin von GOODplace ist davon überzeugt, dass die Zukunft der Arbeitswelt in einer menschenzentrierten Unternehmenskultur mit Herz und Hirn besteht. Oder wie die studierte Volkswirtin aus Hamburg sagt: „Arbeitszeit ist Lebenszeit. Soll heißen: Die Zeit, die wir haben, ist wertvoll. Folglich muss sie derart genutzt werden, dass die Menschen glücklich sind und zwar nicht nur im privaten Bereich, sondern vor allem auch im Job, schließlich verbringen wir einen beträchtlichen Teil unserer Lebenszeit bei der Arbeit.“

Good Place to work

Insbesondere aufgrund der Digitalisierung und globalen Vernetzung hat die Dynamik in der Arbeitswelt in den letzten Jahren massiv zugenommen: Projekte müssen schneller und flexibler abgewickelt werden, Kollegen besser miteinander kommunizieren sowie kooperieren und Teams selbstverantwortlich agieren. Als Folge wurde unter anderem der Ruf nach agilem Arbeiten laut. Da dies für Führungskräfte ebenso eine Umstellung bedeutete wie für deren Mitarbeiter, wurde ihnen nicht selten ein sogenannter agiler Coach zur Seite gestellt.
Diese und andere Veränderungen stellen Unternehmer und Belegschaft seither permanent vor Herausforderungen. Agiles Arbeiten ist eine gute Antwort darauf, macht den Arbeitsplatz allerdings nicht gleich zu einem „good place“, wo sich die Mitarbeiter wohlfühlen. Es gab – und gibt – freilich viele Firmen, die sehr nah an den Menschen sind. Vielfach passiert(e) das aber eher aus dem Bauch heraus und somit ohne Qualitätskriterien und Standards. Für Monika war daher recht schnell nach der Gründung von GOODplace klar, dass hier Handlungsbedarf besteht: „In einer neuen, modernen Arbeitswelt mit einem menschenzentrierten Mindset braucht es jemanden, der dafür Sorge trägt, dass diese Art der Unternehmenskultur nachhaltig im Betrieb implementiert wird.“ Zusammen mit dem Fraunhofer Institut wurde das Berufsprofil des Feelgood-Managers entwickelt, das nunmehr seit bald zehn Jahren an der GOODplace Academy gelehrt wird.
Mittlerweile ist das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen – nicht nur, weil das Gut „Arbeitskraft“ knapper wird, sondern weil sich die Menschen eben immer öfter die Sinnfrage stellen, wenn es um die Arbeit geht: Was bringt mir meine Arbeit? Ergibt es für mich persönlich Sinn, dass das Unternehmen, in dem ich tätig bin, jährlich seine Gewinne maximiert? Oder bleibe ich als Mensch dabei auf der Strecke? Inwiefern schade ich durch mein Tun der Umwelt?
Und es sind nicht nur die Millennials oder die Gen Z, die sich mit diesen und anderen Fragen beschäftigen. Auch die „alte Garde“ und somit langjährige Mitarbeiter hinterfragen ihr (berufliches) Tun. Und es ist Aufgabe des Unternehmens, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass derartige Sinnfragen im Betrieb beantwortet werden können.

Mitarbeiter im Mittelpunkt

Hier kommt der Feelgood Manager ins Spiel. Dieser ist allerdings keine Manager, der Bälle im Raum herumwirft oder mal ein bisschen den Nacken massiert, um Verspannungen aufzulösen. Er ist ebenso wenig der Kümmerer, der sich um die Probleme seiner Mitarbeiter kümmert. Der Feelgood Manager ist ein Kulturgestalter für menschenzentriertes Arbeiten. Dabei weiß er oft gar nicht, was die Menschen brauchen, um sich bei der Arbeit wohl zu fühlen. Und er gibt das offen zu, wie Monika hervorhebt: „Der Feelgood Manager fragt die Mitarbeiter, was sie brauchen, um sich an ihrem Arbeitsplatz langfristig wohl zu fühlen. Er hat das ‚Go‘ derartige Fragen zu stellen und die Themen anzugehen – und zwar sowohl vonseiten der Geschäftsführung als auch vonseiten der Mitarbeiter. Da diese nämlich gefragt werden und ihre Wünsche und Vorstellungen mitteilen können, fühlen sie sich gesehen, wahrgenommen und gehört. Sie erleben eine Art ‚Wow-Effekt‘, weil ihnen klar wird: Unsere Führung weiß, dass es besser ist, uns zu fragen, was wir brauchen, als uns irgendwelche Konzepte drüber zu stülpen.“
Feelgood Management zeigt sich unter anderem in einem wertschätzenden Umgang, verlässlichen Strukturen und nachhaltigen Rahmenbedingungen. Die Mitarbeiter müssen täglich spüren, dass sich der Arbeitgeber tatsächlich mit ihren Belangen auseinandersetzt, dass ihre Ideen gehört und wenn möglich umgesetzt werden. Dafür erntet der Arbeitgeber strahlende Gesichter, besseres Feedback und vor allem Mitarbeiterempfehlungen – das ohnehin beste und kostengünstigste Marketingtool überhaupt. Dieses kann im Übrigen gemessen werden und ist somit ein aussagekräftiger Indikator dafür, dass sich Mitarbeiter tatsächlich wohlfühlen. „In einer menschenzentrierten Arbeitswelt geht es nicht um Krankenstände und Produktivität. Es geht um Lösungen für Zukunftsfragen – von der Zufriedenheit am Arbeitsplatz über die Gesundheit bis hin zum Klima. Die Welt wird immer komplexer und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit haben sich längst aufgelöst. Entsprechend brauchen wir Mitarbeiter, die über Fachwissen verfügen und psychosoziale Fähigkeiten mitbringen, die mitdenken und sich engagieren. Es braucht Hirn und Herz und die Möglichkeit, all das auch einbringen zu können“, ist Monika Kraus-Wildegger überzeugt.

Feelgood Manager als Brückenbauer

Seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten war es Usus, dass die Geschäftsführung Ziele vorgibt und sagt, was getan werden muss. Dennoch würde es im Chaos enden, wenn ein Unternehmen nun von einem Tag auf den anderen auf Feelgood Management macht, schließlich haben sich die Mitarbeiter durchaus daran gewöhnt, dass hierarchisch von oben nach unten entschieden wird. Und mit der – überspitzt formulierten – Ansage „fühl Dich ab jetzt wohl“ kann niemand etwas anfangen. Um nachhaltig etwas verändern zu können, gilt es, das gesamte System anzuschauen. „Allerdings scheitern 75 Prozent der Change-Projekte, so aktuelle Studien. Das bedeutet auch, dass das Unternehmen sehr viel Geld verliert“, weiß Monika und fügt hinzu: „Es braucht daher einen Übergang. Eine Brücke, die wir mit dem Feelgood Management schaffen können.“
Es geht also nicht gleich ans Eingemachte, sondern erst einmal beispielsweise um die interne Unternehmenskultur. So befasst sich der Feelgood Manager etwa mit der internen Kommunikation. In vielen Fällen funktioniert diese nämlich nicht, was sich unter anderem darin zeigt, dass die Spitze gar nicht weiß, wie die Stimmung im Unternehmen tatsächlich ist. Um die Mitarbeiter aber nicht sofort zu „überfahren“, geht der Feelgood Manager neue Wege in der Kommunikation: Im Rahmen einer internen Messe oder eines Mitarbeiterevents wird die Belegschaft aufgefordert, über ihre Arbeitsbedingungen Feedback zu geben. Die Ergebnisse werden transparent kommuniziert und die Mitarbeiter sind eingeladen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die dann im Zuge von Pilotprojekten umgesetzt werden können. „Beim Feelgood Management geht es darum, Fragen zu stellen und die Mitarbeiter ernst zu nehmen“, erklärt Monika. „Die Menschen werden eingeladen, sich einzubringen. Wenn jemand nicht möchte, wird ihm signalisiert, dass auch das OK ist. Erfahrungsgemäß entsteht aber rasch eine Eigendynamik, es werden Gruppen gebildet, die Maßnahmen formulieren, Kampagnen erstellen und sich komplett selbst organisieren.“
Fakt ist: Zukunftsfähigkeit bedeutet in der Arbeitswelt, menschenzentriert mit Herz und Hirn zu agieren. In einer derartigen Unternehmenskultur sollten Unternehmer Antworten auf die Sinnfragen der Menschen haben. Daher müssen sie anfangen, die Arbeitnehmer zu fragen: Was braucht ihr, um einen guten Job machen zu können – heute genauso wie übermorgen? Nur so kann der Arbeitgeber sicherstellen, dass seine Mitarbeiter ein Umfeld vorfinden, wo sie sich mit all ihren Fähigkeiten und Potenzialen einbringen können – und das auch möchten.

 

GOODplace-Gründerin und Geschäftsführerin Monika Kraus-Wildegger (© Gaby Bohle)

 

Fakten zu GOODplace

Volkswirtin Monika Kraus-Wildegger arbeitete viele Jahre in der IT-Branche und als Nachhaltigkeitsmanagerin für einen großen Konzern. Nach zahlreichen Auslandsaufenthalten gründete sie 2012 GOODplace in Hamburg, das anfangs ganz im Zeichen von „guten Beispielen“ stand. Aber schon bald war klar: Für den Wechsel zu einer Unternehmenskultur, die Leben und Arbeit unter einen Hut bringt, braucht es Menschen, die ihn gestalten – und zwar hauptberuflich! Die Idee der Feelgood Manager-Ausbildung war geboren. GOODplace steht heute für die fundierteste und engagierteste Kompetenz in diesem Bereich.
Die Fachausbildung dauert sechs Monate und umfasst sechs Module (drei davon in Hamburg, plus Facharbeit, Hospitanz, Prüfung und Zertifizierungsprozess). Mittlerweile gibt es über 300 Certified Feelgood Manager. Daneben bietet die GOODplace Academy Masterclasses, Learning Circles und Meet ups in verschiedenen Regionen.
Weitere Infos unter www.goodplace.org

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Gestaltbarkeit,Good News

Feelgood at work, denn Lebenszeit ist Arbeitszeit

Immer mehr Menschen stellen sich die Sinnfrage im Job. Warum es an den Unternehmen liegt, ihnen Antworten zu ermöglichen und wie ihnen Feelgood Management dabei helfen kann.

Gastkommentare sind Beiträge, die nicht aus der Redaktion von Zukunft Neu Denken entspringen.

 

Transformationen gibt es zurzeit unzählige. Wir hören von Transformationen im Umgang mit dem Klimawandel, von gesellschaftlichen als auch politischen Transformationen oder von solchen, die in Unternehmen vonstatten gehen. Und genau um diese Letzteren soll es an dieser Stelle gehen.
Transformare stammt aus dem Lateinischen und beschreibt einen Wandel von einem Zustand in einen anderen. Im betriebswirtschaftlichen Kontext ist es also das Vorhaben, eine Organisation von einem Zustand im Jetzt in einen definierten Zielzustand zu bringen. Als Gründerin und ehemalige Leiterin eines Transformation Offices in einem global tätigen Konzern habe ich mich viele Jahre immer wieder folgende Worte sagen hören:

„Wenn wir unser neues Geschäftsmodell erfolgreich umsetzen wollen, müssen wir beginnen, uns anders zu verhalten. Eine Transformation geschieht zuallererst im Innen. Erst dann kann ein Wandel nach außen wirken. Transformation heißt, dass wir damit beginnen, uns als Führungskräfte anders zu verhalten.“

Die Reaktion war meist zustimmendes Nicken. So weit, so gut. In den darauffolgenden Diskussionen ging es meist um Themen wie Kundenorientierung, Agilität, Selbstorganisation und sinnstiftende Zusammenarbeit, kürzere Entscheidungswege, flachere Hierarchien und autonome Teams. Und das alles führte schlussendlich zur „Erkenntnis“: Wir brauchen ein neues Mindset!
Daran ist natürlich nichts falsch. Und darüber, dass ein Mindset-Change hermuss, ist man sich in Führungskreisen auch rasch einig. Aber was heißt denn das eigentlich?

Das Verhalten der anderen

Ein neues Mindset bedeutet, dass sich die Leute anders verhalten sollen. Die Mitarbeiter tun nicht so wie das Management will. „Als Organisation sind wir zu wenig innovativ, zu wenig kundenorientiert und zu langsam“, so der Tenor. Der Pluralis Majestatis bezieht sich in diesem Fall jedoch nur auf einen Teil der Belegschaft. Gemeint sind also alle – außer dem Management.
Es wird in Führungsklausuren und Strategiemeetings viel über die notwendige Transformation und den vielgepriesenen Mindset-Change gesprochen. Man(n) ist sich der Dringlichkeit bewusst und auch dass das Ganze nicht so einfach wird. Aber in diesen Gesprächen denkt kaum jemand daran, dass eine Transformation gerade mit denjenigen zu tun hat, die den Wandel initiieren und vorantreiben wollen: den Führungskräften. Und so kommt es dazu, dass ein anderes Verhalten gewünscht ist. Das aber bezieht sich eben oft nur auf das Verhalten der anderen.

Der Satz „Wir brauchen ein neues Mindset“ ist mittlerweile zu einer derart weit verbreiteten Floskel geworden, dass sich niemand mehr zu fragen traut: „Was ist das eigentlich: ein neues Mindset?“ Mir fällt dabei immer die Matrix aus dem gleichnamigen Science-Fiction-Film ein. Ist mit dem Mindset-Change vielleicht auch das Upload eines neues Bewusstseins-Programms gemeint, sodass wir plötzlich neu denken können und uns anders verhalten?
Um zu einem neuen Denken zu kommen, müssen wir uns allerdings zuerst darüber bewusstwerden, was und wie wir heute denken, in welche Denkfallen wir tappen und welchen Mustern wir unbewusst unterliegen. Während die einen auf künstliche Intelligenzen aus dem Silicon Valley setzen, plädiere ich für die gute alte Philosophie: „Ich denke, also bin ich.“ René Descartes eröffnet uns damit die Möglichkeit, uns durch Denken zu verändern und uns folglich auch anders zu verhalten.

Mindset-Change transformieren

Transformation in Unternehmen ist ein anderes Wort für Reorganisation und Restrukturierung. Es geht in Wahrheit nicht um einen Wandel, sondern um das Bewahren der herkömmlichen Logik unter Verwendung des Begriffs Transformation. Auch wenn von einem Kulturwandel gesprochen wird, wird dieser letztendlich nicht ernst genommen. Da Kultur im derzeitigen Denken nicht in messbare Größen gegossen werden kann, spielt sie am Ende des Tages eine untergeordnete Rolle.
Eine neue Herangehensweise, die wirklich ein neues Mindset voraussetzt, würde sich nicht mehr an Profit als Zielgröße für den Erfolg einer Transformation orientieren. Wie in der Quantenphysik könnten stattdessen erstrebenswerte Seins-Zustände qualitativ beschrieben werden. Ein möglicher Zielzustand wäre dann zum Beispiel die Beschreibung gelingender Kooperationen im Unternehmen.
Der viel besprochene Mindset-Change im Unternehmenskontext hieße somit, endlich vom längst überholten Bild des homo oeconomicus abzugehen. Diesen Schritt zu gehen, verlangt allerdings nachdenken, hinterfragen, neu bewerten, umdenken und folglich sein Verhalten ändern.
Ich bin sehr wohl der Meinung, dass bei zahlreichen Unternehmen Transformationen anstehen. Und für viele Unternehmen ist es wirklich an der Zeit, an ihrem „Inneren” zu arbeiten, da sonst die Überlebensfähigkeit mittel- bis langfristig nicht mehr garantiert ist. Jedoch bezieht sich auch die Transformationsarbeit in Unternehmen in einem kulturellen Wandel. Und dieser setzt wiederum voraus, dass überholte Theorien, alte Muster und Handlungsweisen hinterfragt werden, dass neue Sichtweisen Einzug halten, neues Verhalten geübt wird und so an der Änderung der Wahrnehmung gearbeitet werden kann.
Ist das gegeben, könnten wir in der Tat vom Einzug eines neuen Mindsets im Sinne neuer Denk- und Verhaltensmuster sprechen. Und dann ist Transformationsarbeit auch wieder lohnenswert.

 

 

Über die Autorin: Michaela Burger

… leitete zuletzt die Marketing- und Kommunikationsabteilung des international tätigen Beschlägeherstellers Blum in Höchst. Zuvor war die gebürtige Niederösterreicherin viele Jahre bei Swarovski tätig, wo sie unter anderem für Strategie, Innovation und Transformation verantwortlich zeichnete. Ihre beruflichen Anfänge machte sie bei einem internationalen Biopharmazeuten im Human Ressource Bereich. Michaela ist außerdem Teil des Zukunftsrates von Zukunft Neu Denken.

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Gastkommentar,Transformation

Mindset-Change: Transformation neu denken

Michaela Burger hat schon einige Transformationen in Unternehmen miterlebt. Warum der Ruf nach einem neuen Mindset immer besonders laut war, sich aber dennoch nur selten etwas verändert hat und wie ein Mindset-Change wirklich funktionieren könnte.