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Lebensmittel

Land schafft Leben ist österreichischen Lebensmitteln auf der Spur. Werdet ihr künftig also auch in Fleisch-Laboren und Gemüse-Hochhäusern unterwegs sein oder 3D-Drucker unter die Lupe nehmen, die Lebensmittel aufbereiten? 
Wenn es das ist, was wir in Zukunft essen, werden wir dem Essen dort auf der Spur sein. Ob es tatsächlich soweit kommt, dass Lebensmittel nur mehr im Labor gefertigt werden, wird sich natürlich zeigen. Aktuell betreiben wir in Österreich immer noch vor dem Hintergrund Landwirtschaft, dass auch Lebens- und Kulturraum gestaltet wird, während wir uns die Natur für die Herstellung von Lebensmitteln zunutze machen.

Die Frage ist halt, ob es sich bei der großen Nachfrage ausgeht, dass Lebensmittel in Zukunft ohne industrielle Fertigung produziert werden können. Ich meine: In den wohl meisten Fällen kommt das, was wir essen, halt nicht von glücklichen Viechern, die man in der Werbung sieht, sondern von Großbauern mit riesigen Stallungen und Ackerflächen.
Sagen wir so: Es ist immer wichtig zu hinterfragen, woher die Informationen kommen und ob sie auch die heimische Landwirtschaft betreffen. Immerhin werden Lebensmittel nicht überall gleich produziert, das macht es ja so spannend. Zudem ist die Welt nie nur schwarz und weiß. Die eine Seite nimmt ausschließlich Negativberichte und Skandale wahr. Das führt dann dazu, dass man sich all dem komplett entziehen möchte, etwa indem man gar kein Fleisch mehr konsumiert. Auf der anderen Seite gibt es jene, die alles schönreden. Und wenn wir uns ausschließlich an der Werbung orientieren, besteht – anscheinend – wirklich kein Handlungsbedarf. Doch Fakt ist: Die Realität liegt zwischen diesen Extrempositionen. Und wenn wir uns für die Zukunft ausrichten wollen, müssen wir die Ist-Situation auch korrekt abbilden. Nur so können wir Eigenverantwortung übernehmen und etwas verändern. Und das können wir – meiner Meinung nach können wir sogar mit allem, was wir tun, Zukunft gestalten.

Dafür allerdings müssen wir wissen, was wir essen…
Genau. Und deshalb bemühen wir uns, dieses Wissen zu vermitteln. Leider gibt es nämlich ganz viel Halbwissen, aus dem viele ihre Meinung bilden. Es werden zum Teil Kampagnen gefahren, um den Menschen zu sagen, was falsch und was richtig ist. Aber wer entscheidet das? Land schafft Leben gibt es nun seit über acht Jahren und mittlerweile weiß ich, dass nichts ganz eindeutig in richtig oder falsch eingeteilt werden kann. Es ist wichtig, dass Menschen sich wieder eine eigene Meinung auf Basis von transparenten Informationen bilden. Wir wollen niemandem eine Meinung überstülpen. Es geht ausschließlich darum, dass jeder die Sicht auf die reale Ist-Situation hat und in der Folge Eigenverantwortung übernehmen und bewusste Konsumentscheidungen treffen kann. Letztlich geht es um den bewussten Griff ins Regal.

Und dabei sollten wir möglichst zu Bioprodukten greifen?
Gute Frage. Noch vor einigen Jahren hätte ich ganz klar mit Ja geantwortet. Tatsache ist: Ja, eine kleinstrukturierte ökologische Landwirtschaft ist unter anderem gut für die Biodiversität. Eine intensivere Landwirtschaft kann im Vergleich ihre Flächen und Ressourcen oft effizienter nutzen. Das ist genauso gut für Umwelt und Klima, weil sie objektiv betrachtet weniger Fläche für die produzierten Lebensmittel verbraucht. Auch der Effizienzgedanke sollte also in der Landwirtschaft Platz finden dürfen. Und nicht immer ist die biologische Produktion gegenüber der konventionellen klar im Vorteil.
Bis vor ein paar Jahren hätte ich gesagt: Das kann nicht sein. Einfach weil ich es nicht wahrhaben wollte. Und warum ist das so? Weil wir so mit einseitigem Halbwissen gefüttert wurden und werden, dass wir nicht mehr wissen, was die Realität ist. Bei Land schafft Leben geht es um den ökoeffizienten Gedanken – und zwar in jeder Hinsicht. Nicht um richtig oder falsch, nicht um guter Bauer versus böser Bauer, gute Freilandhaltung versus schlechte Massentierhaltung. Wobei es Letztere in Österreich gar nicht gibt.

 

Welche Werte legst du in deinen Einkaufswagen? (© Land schafft Leben)

Wirklich? Wir haben keine Ställe mit tausenden von Viechern?
Hier müssen wir uns die Frage stellen: Was ist Massentierhaltung? Die größten Schweineställe in Österreich haben nicht ganz 2.000 Schweine, in Deutschland sind es 20.000, in China fünf Millionen. Die für mich größte Erkenntnis war allerdings, als wir uns mit der Zuckerrübe auseinandergesetzt haben und die Biozuckerernte filmen wollten. In mehreren Anbauanläufen konnte keine einzige Ernte eingefahren werden, weil die Bauern gewisser Schädlinge einfach nicht Herr werden konnten. Ein konventioneller Betrieb sät und hat die Möglichkeit, bei Schädlingsdruck ein Pflanzenschutzmittel anzuwenden. Das ist ein wichtiger Beitrag, um Ernteausfälle zu verhindern. Ein Bio-Betrieb kann Unkräuter mechanisch entfernen oder ein für den Bio-Bereich zugelassenes Pflanzenschutzmittel ausbringen. Hier sind oft mehrere Überfahrten für eine entsprechende Wirksamkeit notwendig. Wenn am Ende null Kalorien produziert wurden, weil keine der Methoden funktioniert hat, ist das nicht nur wirtschaftlich betrachtet, sondern auch aus ökologischer Sicht ein Wahnsinn. Bei Kartoffeln haben wir im Biobereich vergleichsweise oft bis zu 50 Prozent weniger Ertrag. Dennoch nimmt die Gesellschaft die biologische Landwirtschaft gern als positiv und die konventionelle Landwirtschaft als eher negativ wahr.

Warum ist es auch im Hinblick auf die Welt von morgen so wichtig, dass wir mehr darüber wissen, was bei uns auf den Teller kommt?
Zum einen natürlich wegen der eigenen Gesundheit. Im Westen haben wir ja das Phänomen, dass wir übergewichtig und zugleich unterernährt sind. Wir kaufen Fertigprodukte und wundern uns, dass wir nach dem Essen immer noch Hunger haben und sogar zunehmen. Wir müssen uns aber nicht nur um uns und den eigenen Körper kümmern, sondern auch um unseren Lebensraum. Als Konsument ist es wichtig zu wissen: Wofür stehe ich? Was sind meine Werte? Und welche lege ich mir in den Einkaufswagen? Muss ich ausschließlich auf meinen Vorteil schauen oder betrachte ich es ganzheitlich? Ich kann nicht von allem mehr konsumieren, eine höhere Qualität bzw. alles in Bioqualität verlangen und gleichzeitig einen niedrigen Preis fordern. Klar ist der Preis ein Wert und für manche ist er eben entscheidend. Für andere hingegen stehen Tierwohl, Erhalt des Lebensraums oder Menschenrechte im Vordergrund. All das kann ich mir in den Korb legen – vorausgesetzt ich verfüge über das nötige Wissen. Ja, wir nutzen die Natur fürs Überleben, das war immer schon so. Doch wir müssen es in Kreisläufen denken entsprechend bewusste Konsumentscheidungen treffen. Das ist für mich Zukunft neu denken.
 
Zukunft neu denken bedeutet für Dich also, dass der Konsument sich wieder als Teil der Kreislaufwirtschaft sieht?
Ja. Und das fängt schon damit an, dass man sich fragt: Was und wie viel brauche ich wirklich? Lebensmittelverschwendung ist ein Riesenthema. Im Schnitt landen in Österreichs Haushalten pro Jahr fast 58 Kilo genießbare Lebensmittel und Speisereste im Müll. Wir sind nicht nur eine Verbraucher-, sondern mehr noch eine Wegwerfgesellschaft. Das ist auch ein großes Bildungsthema. Es freut uns sehr, dass mehr und mehr Schulen unser Arbeitsmaterial zu Lebensmittelwissen, Ernährungsbildung und Konsumkompetenz in Anspruch nehmen. Denn die nächste Generation ist sehr daran interessiert, Eigenverantwortung zu übernehmen. Kinder und Jugendliche haben Spaß daran, sich das Essen dienlich zu machen, insofern als sie sich damit auseinandersetzen, was dem Körper dient und wie man sich den eigenen Lebensraum schmackhaft und nachhaltig nutzbar machen kann. Im Prinzip sind wir die Avatare des Lebens: Wir können unseren Körper, unseren Lebensraum und damit auch unsere Zukunft modellieren – vorausgesetzt wir verfügen über Wissen, übernehmen (wieder) Eigenverantwortung und bewahren uns unsere Neugier.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Maria. Wir freuen uns schon auf den Talk am 17. November in Dornbirn.

 

Maria Fanninger (© Land schafft Leben)

Zur Person: Mag. Maria Fanninger

…ist Mitbegründerin und Vorständin von Land schafft Leben, die sich auf die Spuren heimischer Lebensmittel machen. Maria befasst sich vor allem mit den Themen Bildung und Ernährung, wobei es der studierten Wirtschaftspädagogin besonders darum geht, den Menschen die Eigenverantwortung in vielen Bereichen ihres Lebens bewusst zu machen. Denn für Maria gilt: Nur wer Verantwortung übernimmt, kann auch (Zukunft) gestalten, ganz besonders, wenn es um Gesundheit, Ernährung und Konsum geht.
www.landschafftleben.at

 

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Im Gespräch mit...,Vertrauen

Lebensmittel: Nicht nur zum Essen sind sie da…

Maria Fanninger, Vorständin von Land schafft Leben, weiß, was auf Österreichs Tellern landet. Ein Gespräch über (Halb-)Wissen und Eigenverantwortung, warum wir Werte und Haltungen in den Einkaufswagen legen und was bewusste Konsumentscheidungen mit Zukunft zu tun haben.