Verantwortung hat irgendwie einen negativen Touch. „Du musst endlich lernen, Verantwortung zu übernehmen!“, heißt es oft mit recht scharfem Unterton. Also nimmt man sie wahr, schließlich kann sie uns niemand abnehmen und wir können auch nicht aus ihr entlassen werden. Zuweilen ist die Rede von einer großen Verantwortung, die einem übertragen wird und der man natürlich gerecht werden muss. Da nimmt es nicht Wunder, dass man unter so einer Last schwer zu tragen hat und sich mitunter scheut, sich der Verantwortung zu stellen.
Ich und die anderen
Doch ist Verantwortung tatsächlich so schlecht wie ihr Ruf? Nein. Zumindest nicht, wenn man sich darüber im Klaren ist, wofür und für wen man sie übernimmt. In dem Zusammenhang sei betont, dass vielfach von Eigenverantwortung die Rede ist. Soll heißen: Man soll das eigene Schicksal selbst in die Hand nehmen, nicht fremdbestimmt durch die Welt gehen und andere für sich entscheiden lassen. Das ist auch gut so. Selbstverantwortlich zu handeln bedeutet allerdings nicht, nur für sich verantwortlich zu sein. Jede Handlung hat Konsequenzen. Manchmal betreffen diese ausschließlich einen selbst, in den überwiegenden Fällen aber hat unser Tun auch Auswirkungen auf unsere Mitmenschen, unsere Umwelt und vor allem auf nachfolgende Generationen.
Die Welt, in der wir leben, verändert sich schneller und schneller. Wir sind so vernetzt wie nie zuvor. Dementsprechend können Ereignisse, die gar nicht in unserer unmittelbaren Umgebung stattfinden, direkte Folgen auf unseren Alltag haben. Die Pandemie führt uns seit zwei Jahren vor Augen, dass die Globalisierung auch etliche Fallstricke gelegt hat. Der Krieg in der Ukraine macht uns mehr als deutlich, wie schnell sich alles von heute auf morgen verändern kann. Pläne schmieden war gestern – und das wird sich nicht mehr ändern. Im Gegenteil: Wandel und Umschwünge werden an Geschwindigkeit und Massivität zunehmen.
Bei all der Selbstbestimmtheit können wir also nicht nur auf uns schauen. Wir müssen darüber hinaus das Big Picture im Auge behalten und den Blick in die Zukunft richten. Was schlussendlich kommen wird, weiß niemand. Doch wenn ich mir darüber im Klaren bin, dass mein eigenes Tun Konsequenzen für mich und andere hat und wenn ich bereit bin, diese zu tragen, ist der erste Schritt in Richtung kollektive Verantwortung getan.
Wertvolle Verantwortung
So betrachtet, ist Verantwortung durchaus weitreichend – schwer muss sie deshalb nicht sein. Das liegt vielmehr an einem selbst, denn in erster Linie ist Verantwortung die Fähigkeit, das eigene Können und mögliche Folgen von Entscheidungen einzuschätzen, und dann entsprechend zu handeln. Einerseits so, dass man das, was man erreichen möchte, tatsächlich erreicht. Andererseits aber auch, dass man um- und weitsichtig handelt. Verantwortungsbewusst zu sein heißt außerdem, selbstbestimmt und völlig frei in seinen Handlungen zu sein, schließlich kann ich immer anders handeln. Oder sagen wir so: Manchmal muss man sich sogar gegen etwas entscheiden – und handelt damit wesentlich verantwortungsvoller, als wenn man seiner vermeintlichen Verpflichtung nachkommen würde.
Und wie weiß man, welches die „richtige“, die verantwortungsvolle Entscheidung ist? An sich erst im Nachhinein – oder um es mit Søren Kierkegaads Worten zu sagen: „Verstehen kann man das Leben rückwärts. Leben muss man es aber vorwärts.“
Das Maß aller Dinge sind die eigenen Werte. Im Hinblick auf meine Tätigkeit bei Zukunft Neu Denken kommen die Werte unserer Plattform hinzu. Unter anderem wollen wir Menschen zum Neudenken, Umdenken und Tun motivieren. Für mich bedeutet das, dass ich in meinen Texten, in den Gesprächen, die ich führe, in all meinem Tun niemals nur Probleme und Herausforderungen aufzeige. Und das obwohl mir klar ist, dass Schreckensmeldungen und Skandale, „breaking news“ und Negativschlagzeilen häufiger angeklickt werden. Das Problem jedoch ist: Sie bringen mich, den Leser oder mein Gegenüber keinen Schritt weiter. Stattdessen lösen sie Stress, Verunsicherung und Angst aus, reißen einen mitunter in eine Negativ-Spirale, die bis zu Depressionen und Belastungsstörungen führen kann.
Scheiße plus X
Zugegeben: Zu einem großen Teil müssen die Medien in die Verantwortung genommen werden, die ja als „vierte Macht“ im Staat bezeichnet werden und als solche Exekutive, Legislative sowie Judikative zwar nicht direkt beeinflussen, aber durch ihre Berichterstattung zur öffentlichen Diskussion beitragen und dadurch das politische Geschehen beeinflussen können. Ob sie dieser Aufgabe wirklich nachkommen und/oder wer von wem beeinflusst wird, soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden.
Für mich jedenfalls sind gut recherchierte, verständlich aufbereitete und vor allem unabhängige Inhalte ein Muss. Doch sie sind nicht genug. Es reicht nicht, über Tatsachen und bestehende Dinge zu berichten – schon gar nicht, wenn sie in Form von dystopischen Horror-News daherkommen. So bleiben wir im Jetzt, wenn nicht sogar im Gestern stecken. Mit Negativmeldungen gespickte Stories liefern keine Informationen, die für das Morgen von Bedeutung wären, sondern lähmen den Leser nur. Insbesondere, wenn sie in einem derart geballten Ausmaß daherkommen, wie das momentan der Fall ist. Mittlerweile können wir 24/7 Nachrichten konsumieren. Und viele tun das auch – nicht immer aktiv, doch dank Sozialer Medien (oder sollten wir vielleicht A-Soziale Medien sagen?), Newsfeeds und diverser Apps poppen ständig Neuigkeiten auf Handy, Tablet und Co. Ein Klick genügt und schon scrollt man sich wieder durch unzählige Untergangsszenarien. Das passiert so oft, dass dafür ein Begriff definiert wurde: Doomscrolling nennt es sich, wenn die meiste Zeit der Mediennutzung dafür draufgeht, negative Nachrichten zu konsumieren.
Und so sehe ich es als meine Verantwortung, neben all den Tatsachen – ob negativ oder positiv – immer auch nach weiteren Möglichkeiten zu suchen. Ich versuche das schon seit Jahren. Mal funktioniert es besser, dann wieder knalle ich mit dem Negativ-Filter vor den Augen an die Wand. Letzteres passiert mir allerdings immer seltener und immer öfter zeige ich auch Lösungen und Wege auf. Dass sich dies konstruktiver Journalismus nennt, habe ich kürzlich durch Ronja von Wurmb-Seibel erfahren – wobei die Journalistin, Autorin und Filmemacherin es auch „Scheiße plus X“ nennt. Warum sie das tut, steht in ihrem Buch „Wie wir die Welt sehen“ mit dem vielsagenden Untertitel: Was negative Nachrichten mit unserem Denken machen und wie wir uns davon befreien können. Absolut empfehlenswert!
Raus aus dem medialen Missbrauch – rein in die Zukunft
Und doch sind es nicht die Medien und Journalisten allein, die sich ihrer Verantwortung bewusst sein sollten. Jeder Einzelne ist aufgefordert, Eigenverantwortung zu übernehmen, indem er bewusst Nachrichten konsumiert, sich beispielsweise ein tägliches Zeitlimit setzt und sich nur bei ausgewählten Medien sowie möglichst tiefgründig informiert, also nicht bloß Schlagzeigen liest. Und selbst dann gilt es aufzupassen, nicht ständig die Negativ-Brille aufzuhaben. Das heißt nicht, dass man das Negative aussparen und in eine rosarote Plüschwelt eintauchen sollte, sondern dass wir uns aktiv gegen medialen Missbrauch wehren (den wir uns zum Teil selbst zufügen). Erst wenn wir hier und heute lösungsorientiert nach Wegen suchen, übernehmen wir Verantwortung für das Morgen und geben der Zukunft eine Chance.
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